Eigentlich tut man einem jungen Filmemacher keinen Gefallen damit, im Zusammenhang mit seiner zweiten Regiearbeit auf die Coen-Brüder zu verweisen; aber die lakonische Erzählweise dieser schwarzhumorigen Farce mit dem einprägsamen Titel "Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss" provoziert den Vergleich einfach. Natürlich spielen Joel und Ethan Coen in einer anderen Liga, doch Florian Mischa Böder beweist in seinem mit Unterstützung des Kleinen Fernsehspiels vom ZDF entstandenen Film ein ganz ähnliches Gespür für bizarre Situationen. Seine Geschichte (das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit Clemente Fernandez-Gil) ist im Grunde ein Thriller, wird aber dank einer Verkettung absurder Vorfälle zur Komödie und erinnert deshalb an frühe Coen-Filme wie "Blood Simple" (1984) und vor allem den Klassiker "Fargo" (1996).
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Böders Held, Koralnik (Benno Fürmann), gilt als bester Mann eines streng geheimen Programms, das die EU vor geraumer Zeit ins Leben gerufen hat: Speziell ausgebildete Mitarbeiter sollten jenseits des lästigen Instanzenwegs mit potenziellen Terroristen kurzen Prozess machen. Ähnlich wie die sogenannten Schläfer führen die Männer ein unauffälliges Leben. Koralniks diszipliniertes Dasein in konsequenter Askese ist allerdings nun schon seit Jahren komplett ereignislos; Aufträge bekommen offenbar bloß die anderen. Weil er ohne soziale Kontakte zu verkümmern droht, hinterlässt er für sich selbst Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Als eines Tages eine Frau in sein Leben tritt, reagiert er zunächst entsprechend ungelenk: Rosa (Mavie Hörbiger) hat sein Auto angefahren und möchte die Sache möglichst reibungslos klären. Die beiden verabreden sich in Koralniks Wohnung, wo die Dinge einen überraschenden Verlauf nehmen, denn Rosa entpuppt sich als Betrügerin, die den Killer unter Drogen setzt, damit er einen fetten Scheck unterschreibt; und ausgerechnet jetzt ereilt ihn der Anruf, auf den er seit acht Jahren gewartet hat.
Dem Film ist anzusehen, dass Böder nicht viel Geld zur Verfügung stand, aber er hat aus der Not eine Tugend gemacht und die wenigen Mittel perfekt eingesetzt. Schon allein die Kameraarbeit (Matteo Cocco) ist ungemein sorgfältig. Die Gleichförmigkeit des Seins zum Beispiel wird allein durch die Bildgestaltung vermittelt. Auch die verschiedenen Übergänge, oft in Form von unterschiedlichen Blenden, verraten die Liebe zum Detail. Großen Spaß macht auch Benno Fürmann, der natürlich das darstellerische Zeug zum coolen Killer hat, aber auch Kolnariks Wandel glaubwürdig verkörpert; der Eremit wird immer wunderlicher. Dank des Drogentrips kommt es schließlich zu einigen Slapstickszenen, in denen Fürmann, der ja einige Action-Erfahrung hat, ebenfalls überzeugt.
Auftrag entpuppt sich als Höhepunkt der Absurditätenkette
Zunächst trägt sich die Handlung größtenteils in Kolnariks Wohnung zu, aber dann wandelt sich der Film durch den Auftrag zum Road-Movie, und auch das bis dahin eher beschauliche Tempo ändert sich. Da der Killer nicht fahrtüchtig ist, muss Rosa hinters Steuer, doch während der Fahrt zum Zielort wird das ungleiche Paar mit diversen Ereignissen konfrontiert, die Kolnarik gegenüber seinem Vorgesetzten (Wolf Roth) später euphemistisch als "unvorhersehbare Komplikationen" bezeichnen wird: Erst werden der Killer und seine unfreiwillige Komplizin zu Hochzeits-Crashern, dann schießt Rosa ihm einen Zeh ab, und schließlich landen sie im Gefängnis. Trotzdem versichert Kolnarik seinem Chef beharrlich, nach wie vor alles unter Kontrolle zu haben.
Natürlich entpuppt sich der eigentliche Auftrag als Höhepunkt dieser Absurditätenkette; bloß der Schluss ist etwas unbefriedigend, weshalb das Drehbuch noch einen versöhnlichen Epilog hinterher schiebt. Davon abgesehen aber ist "Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss" schon allein wegen des Einfallsreichtums und der vielen verblüffenden Handlungswendungen ein großer Spaß, vorausgesetzt, man mag Filme dieser Art und findet es witzig, wenn das "Fuck!" des Vorgesetzten auch im Untertitel mit "Fuck" übersetzt wird. Aber köstlich ist eigentlich schon allein der Kontrast zwischen Koralniks Ausbildungsmantra "Kontrolle, Präzision, Tarnung" und dem Chaos, das entsteht, als Rosa in sein Leben tritt.