Es hat einen nicht zu unterschätzenden Reiz, sich im Rahmen einer rund zwanzig Jahre währenden Beziehung der Anfänge zu besinnen. Und das gilt keineswegs nur für Freundschaften oder gar Ehen, sondern auch für sogenannte parasoziale Kontakte zu Fernsehfiguren: Das Wiedersehen mit dem vergleichsweise jungen Klaus J. Behrendt und einem Dietmar Bär, der als Freddy Schenk schon 1997 so aussah und auftrat wie heute, ist ein unerwartetes Vergnügen.
"Willkommen in Köln" funktioniert auch deshalb nach wie vor so gut, weil der Film eine zeitlose Geschichte erzählt und sich die Umsetzung kaum von aktuellen Inszenierungen unterscheidet. Regisseur Kaspar Heidelbach hatte schon einige Erfahrungen gesammelt und mit Behrendt bereits den Mehrteiler "Leo & Charlotte" sowie ein paar Folgen der Sat.1-Krimiserie "A.S." gedreht. Autor Niki Stein (hier noch als Nikolaus Stein von Kamienski) befand sich dagegen noch am Anfang seiner Karriere; sein "Tatort"-Regiedebüt hat er ein Jahr später gegeben, ebenfalls mit den Kölnern ("Bildersturm"). Mit dem ersten Fall für das neue Duo aus Köln knüpfte Stein an seine eigenen Drehbücher für den "Tatort" aus Düsseldorf an, da war Max Ballauf als Mitarbeiter von Hauptkommissar Flemming (Martin Lüttge) bis zu seinem Ausstieg Richtung Amerika ebenfalls bereits mit von der Partie. Davon abgesehen sind die Krimis aus Düsseldorf nicht ganz zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Nun erzählt Stein Ballaufs Geschichte weiter: Der Deutsche arbeitet im Auftrag des BKA als Gastermittler für die amerikanische Drogenfahndung. Als seine Freundin und Kollegin bei einem verdeckten Einsatz ums Leben kommt, gibt sich Ballauf dem Suff hin, gerät mit einem Polizisten aneinander und wird schließlich ausgewiesen. Sein Vorgesetzter, Kriminalrat Körber (Dieter Bongartz), sorgt dafür, dass er weich fällt, lässt seine Beziehungen spielen und macht ihn zum Leiter der Kölner Mordkommission. Dort trifft Ballauf auf Freddy Schenk, einen nicht unsympathischen, aber mitunter cholerischen Zigarrenraucher, der einen flotten Mercedes fährt ("eine Zuhälterkarre", findet Ballauf), Cowboystiefel trägt und den neuen Chef ziemlich frostig empfängt, denn seine eigene Beförderung zum Hauptkommissar war nur noch Formsache; die gegenseitigen Animositäten gipfeln in eine lautstark geführte Auseinandersetzung. Auch Staatsanwalt von Prinz (Christian Tasche) hätte lieber Schenk auf dem Posten gesehen. Allein die von ihrem attraktiven neuen Chef recht angetane Sekretärin Lissy Pütz (Anna Loos) empfängt Ballauf buchstäblich mit offenen Armen.
Inszenierung orientiert sich am amerikanischen Kino
Schon der Prolog in Miami ist ungewöhnlich, und die Einführung am Kölner Arbeitsplatz setzt noch eins drauf, zumal die Atmosphäre zwischen den beiden Ermittlern zunehmend aggressiver wird, obwohl Ballauf dem Oberkommissar eine partnerschaftliche Zusammenarbeit anbietet. Nach wie vor sehenswert aber ist "Willkommen in Köln" durch die eigentliche Geschichte: Die Stadt befindet sich quasi in der Hand eines Sicherheitsdienstes, der die City im Auftrag der Einzelhändler von Dealern und Junkies säubert; dabei hat es bereits einen Toten gegeben. Angeführt wird die Truppe vom charismatischen Garry Busch, den Thomas Thieme mit seiner seither in vielen Filmen faszinierenden vielschichtigen Mischung aus Jovialität, Süffisanz, Intelligenz und eisiger Kälte verkörpert; hier kommt hinzu, dass der Mann auch eine tragische Seite hat. Als einer seiner Mitarbeiter, ein ehemaliger Rauschgiftfahnder, ermordet wird, gilt die Tat allgemein als Racheakt der Drogenszene. Tatsächlich jedoch ist der Fall viel größer. Auch Körber, Ballaufs früherer Mitstreiter aus BKA-Zeiten, ist in die Sache verwickelt. Außerdem stößt der Hauptkommissar in Buschs Büro auf eine Akte über Schenk, in der penibel vermerkt ist, dass der als "psychisch labil" eingestufte Polizist umfangreiche Gratifikationen erhalten hat.
Gerade die Kombination der beiden wichtigsten Ebenen – hier die Einführung der neuen Hauptfiguren, dort die Herausforderung durch den völlig undurchsichtigen Fall – ist Stein ausgezeichnet gelungen. Heidelbachs Inszenierung orientiert sich viel stärker am amerikanischen Kino als am deutschen TV-Krimi. Der Action-Anteil zum Beispiel ist weitaus größer als heutzutage, erst recht beim bleihaltigen Finale, als der eigentliche Gegenspieler Schenk als Geisel nimmt; und der Schluss ist selbstredend der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Ein klasse Krimi, der heute noch genauso sehenswert (und dank der guten rockigen Filmmusik von Kambiz Giahi auch so hörenswert) ist wie vor knapp zwanzig Jahren.