Amman/Frankfurt a.M. (epd). Im Syrien-Konflikt gibt es heftige Kritik am Assad-Regime und seinem Verbündeten Russland wegen der Lage in der umkämpften Stadt Aleppo. Rund 40 private Hilfsorganisationen warnten am Mittwoch vor einem Missbrauch sogenannter humanitärer Korridore als Kriegswaffe. Unicef will die mögliche Einrichtung solcher Korridore zum freiwilligen Verlassen der Stadt dagegen prüfen.
Unterdessen berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London über heftige Kämpfe um Aleppo. Eine Rebellenoffensive versuchte offenbar, den Belagerungsring von Regierungstruppen zu durchbrechen. Die syrische Armee werde von russischen Luftangriffen unterstützt.
Zurückhaltung von Unicef
Die humanitäre Lage in Aleppo verschlechtert sich indes weiter. Aber die vom Assad-Regime angebotenen Fluchtwege für das freiwillige Verlassen der Rebellengebiete stoßen auf Skepsis. "Wir befürchten, dass die Korridore eine humanitäre Katastrophe nicht verhindern, sondern vielmehr die verbleibenden Menschen in große Gefahr bringen würden", warnten die rund 40 Hilfswerke, darunter Care, World Vision und Save the Children.
Einen angeblich "sicheren Fluchtweg" anzubieten, dürfe nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass die verbleibenden Menschen in Aleppo zu militärisch legitimierten Zielen werden. Die Stadt dürfe "nicht zu einem weiteren Ort des Massensterbens werden", heißt es in dem gemeinsamen Appell.
Unicef äußerte sich zurückhaltender. Es sei voreilig zu behaupten, dass diese Korridore unwirksam oder sogar gefährlich seien, sagte die Sprecherin des Kinderhilfswerks Unicef für den Nahen Osten, Farah Dakhlallah, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Amman. Die Vereinten Nationen brauchten mehr konkrete Informationen über die Ausgestaltung der Korridore.
In jedem Fall müsse gelten, dass Zivilisten die umkämpfte Stadt nur freiwillig verlassen sollten und sie müssten geschützt werden. Die Vereinten Nationen haben Aufsicht über die Korridore gefordert und eine 48-stündige Feuerpausen jede Woche, um Zugang zu den Hilfebedürftigen in der Stadt zu bekommen.
Keine gemäßigten Rebellen
Nach Angaben eines Care-Sprechers in Aleppo sind die Krankenhäuser und die andere öffentliche Infrastruktur in den belagerten Stadtteilen im Osten völlig zerstört. Die Lebensmittel dürften nur noch einen Monat lang für 145.000 Menschen reichen. Die Zahl der Menschen in dem abgeschnittenen Gebiet Aleppos belaufe sich aber auf schätzungsweise 300.000, sagte der Sprecher, der aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden kann.
Unterdessen warnte auch der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, vor einer humanitären Katastrophe in Aleppo. In Aleppo kämpften keine gemäßigten Rebellen, sondern Al-Kaida-Gruppen und die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Es komme in Aleppo deshalb zu einer Katastrophe, weil "Terroristengruppen diese Stadt besetzt haben, die Bevölkerung unterdrücken und das Regime, Assad-Regime, versucht, diese Stadt zu befreien", sagte Kujat im Deutschlandfunk.
In Syrien kämpfen das Assad-Regime, Rebellen und Terrormilizen um die Macht. Seit Beginn des Konflikts 2011 starben Hunderttausende Menschen, Millionen sind auf der Flucht.