Objektiv ließe sich nur schwer begründen, warum Martin Suters Roman "Der letzte Weynfeldt" ein besseres Buch sein sollte als "Der Teufel von Mailand". Bei den Verfilmungen ist das leichter: Von den beiden Adaptionen, die im Auftrag des ZDF und des Schweizer Fernsehens entstanden sind, ist "Der letzte Weynfeldt" der bessere Film. Das hat viele Gründe, aber zwei lassen sich exakt benennen: Der Schweizer Grimme-Preisträger Alain Gsponer ("Das wahre Leben") ist als Regisseur ein ausgewiesener Meister seines Fachs; er hat auch schon Suters Buch "Lila, lila" verfilmt. Die Adaption hat hier wie dort Alexander Buresch besorgt, Gsponers bevorzugter Drehbuchautor. Mit Stefan Kurt hat der Regisseur zudem einen Hauptdarsteller, der als Titeldarsteller fast noch überzeugender ist als die Buchfigur.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Zürcher Kunstexperte ist als Rolle aber wie geschaffen für den vielfach ausgezeichneten Schweizer Schauspieler: Weynfeldt ist ein Gentleman alter Schule, der aus einer längst vergangenen Epoche zu stammen scheint. Der Kunstexperte hat mehr Geld, als er ausgeben kann, führt jedoch ein im Grunde sinnleeres Leben, seit seine Jugendliebe vor vielen Jahren gestorben ist. Sein Dasein wird auf den Kopf gestellt, als er eines Tages Lorena (Marie Bäumer) kennen lernt. Das Fotomodell hat zwar bei weitem nicht sein Niveau, erinnert ihn aber an seine große Liebe. Außerdem findet sie, er sei für sie verantwortlich, seit er, wenn auch eher passiv, verhindert hat, dass sie sich von seinem Balkon stürzt.
Wer das Buch nicht kennt, darf sich auf einen überraschenden Schluss freuen
Suter konfrontiert seine Heldinnen und Helden gern mit Sinnkrisen, die durch extreme Situationen ausgelöst werden, und beobachtet dann voller Sympathie, Anerkennung und Neugier, wie sie an und mit der Herausforderung wachsen. Damit die Aufgabe etwas schwieriger wird, stellt er ihnen Figuren zur Seite, die die Entwicklungen beschleunigen. Die leichtlebige Lorena erkennt zwar, dass der gutmütige Mittfünfziger offenbar nur darauf wartet, wie eine Weihnachtsgans ausgenommen zu werden, ist aber im Grunde ein guter Mensch. Trotzdem hat ihr Einfluss unter anderem zur Folge, dass Weynfeldt, der als Experte für ein Auktionshaus arbeitet, zum vermutlich ersten Mal überhaupt eine kriminelle Handlung begeht: Ein alter Freund der Familie möchte, dass er statt des Originals eine täuschend echte Fälschung versteigern lässt. Lorena wiederum hat einen fiesen Exfreund, der das große Geld wittert und Weynfeldt erpresst.
Sämtliche Rollen sind bestens besetzt. Für den großen Vadim Glowna – er spielt den Besitzer des Gemäldes – war "Der letzte Weynfeldt" einer seiner letzten Filme. Eine Schlüsselfigur verkörpert auch Roeland Wiesnekker als Kunstmaler, der eine fast perfekte Fälschung produziert; es dauert etwa bis zur Hälfte des Films, bis sich erschließt, warum die Namen im Vorspann alle mit einem Punkt versehen sind. Sie alle aber sind bloß Zuträger für Stefan Kurt, der die Titelfigur gerade dank der körpersprachlichen Details ungemein nuanciert und formidabel verkörpert; und wer das Buch nicht kennt, darf sich auf einen überraschenden Schluss freuen. Bemerkenswert sind neben der Bildgestaltung durch Matthias Fleischer auch die Kompositionen von Diego Baldenweg, der sich mit Erfolg bemüht hat, eigene Wege abseits der üblichen Fernsehfilmmusik zu finden. Die zweite Verfilmung, "Der Teufel von Mailand", zeigt 3sat um 23.35 Uhr.