Brüssel, Bonn (epd). Nach dem Mord an einem katholischen Priester in Frankreich halten französische wie deutsche Kirchenvertreter eine flächendeckende Bewachung von Gotteshäusern für unrealistisch. Vor jedem Gotteshaus ein Sicherheitssystem zu etablieren, sei "absolut unvorstellbar und nicht machbar", sagte der Vorsitzende der Föderation der Protestanten Frankreichs, François Clavairoly, am Mittwoch der Zeitung "Le Monde" (online) zufolge in Paris.
"Wissen Sie, es wird schon viel getan, insbesondere was die jüdischen und muslimischen Gotteshäuser angeht, aber auch für einige symbolische Orte der christlichen Religion", machte der Pastor nach einem Treffen im Elysée-Palast deutlich. Zu dem Treffen hatte Präsident François Hollande die Vertreter verschiedener Religionsgruppen eingeladen, um über die Folgen des offenbar islamistisch motivierten Attentats im nordfranzösischen Saint-Etienne-du-Rouvray vom Dienstag zu beraten.
An dem Treffen nahm auch der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois teil, der weiteren Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls skeptisch gegenübersteht. Der Staat tue schon "viel zur Überwachung des öffentlichen Raumes, nicht unbedingt für die Kirchen mehr als für andere Orte, wo die Menschen sich versammeln", sagte der Kardinal bereits am Dienstagabend im französischen Fernsehen. Es sei aber "lächerlich" zu glauben, dass noch mehr Soldaten eine Garantie gegen Anschläge seien. "Man kann Attentaten nicht zuvorkommen. Was man machen kann, ist die Mentalitäten tiefgreifend ändern." Dazu brauche es aber einen langen Atem, machte Vingt-Trois klar.
"Nicht einschüchtern lassen"
Die beiden großen Kirchen in Deutschland wollen ihre Türen offen halten. "Gleichzeitig werben wir dafür, uns nicht einschüchtern zu lassen", sagte der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn: "Unsere Kirchen müssen offene Orte sein, das wird gerade in den letzten Tagen deutlich: Was wäre in unserem Land los, wenn die Kirchen verschlossen sind und der Trauer nicht mehr ein Raum angeboten wird?" Kopp betonte, es gebe keine absolute Sicherheit. Es sei nicht möglich, "24.500 katholische Kirchengebäude in Deutschland zu schützen. Wir brauchen daher erhöhte Wachsamkeit im Alltag."
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärte: "Kirchen sind Orte des Friedens, der Einkehr und des Gebets. Sie sind einladende Orte, an denen Menschen Zuflucht finden, auch und gerade in Situationen von Sorge und Not." Dass offene Orte auch verletzlich seien, habe sich bei der brutalen Gewalttat in Frankreich auf abscheuliche Weise gezeigt.
"Einen absoluten Schutz kann es für die jährlich mehr als eine Million evangelischen Gottesdienste und rund 200.000 Gemeindeveranstaltungen in Deutschland ebenso wenig geben wie für jede andere öffentliche Veranstaltung", sagte ein EKD-Sprecher dem epd.
Merkel verurteilt Anschlag scharf
Am Dienstag waren zwei bewaffnete Männer in Saint-Etienne-du-Rouvray bei Rouen in eine katholische Kirche eingedrungen und hatten Geiseln genommen. Der über 80 Jahre alte Priester Jacques Hamel wurde von den Männern, die sich laut Hollande zur Terrororganisation Islamischer Staat bekannten, ermordet. Eine weitere Geisel wurde schwer verletzt. Die Täter wurden von der Polizei erschossen.
Unterdessen hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Anschlag scharf verurteilt. In einem Kondolenztelegramm an Hollande schrieb die Regierungschefin von einem "feigen Attentat". Sie nehme Anteil an der Ermordung "eines Mannes des Friedens und der Barmherzigkeit", zitierte ein Regierungssprecher in Berlin aus dem Schreiben.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) brachte ebenfalls ihr Beileid zum Ausdruck. "In Gedanken und Gebeten sind wir bei den Opfern und deren Angehörigen", heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Kondolenzschreiben des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm an den katholischen Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun: "Wir trauern mit Ihrer Gemeinde, die sich zum friedlichen Gebet versammelt hatte und unvermittelt zum Ziel sinnloser Gewalt wurde."