Sie sind beide Außenseiterinnen, wenn auch auf grundverschiedene Weise: Die junge Architektin Sophie (Tanja Wedhorn) liebt einen verheirateten Neurologen und muss mit jener Zeit vorlieb nehmen, die sein Berufs- und Familienleben übrig lassen; und die eigenbrötlerische Hannah (Thekla Carola Wied) lebt als alte Dame ohnehin am Rand der Gesellschaft. Als Sophie in die Nachbarwohnung zieht, werden ihre weiteren Lebenswege miteinander verbunden. Im Grunde interessiert sich Hannah für niemand anderen als für sich selbst, ein soziales Netzwerk gibt es in ihrem Leben nicht. Aber die freundliche junge Frau weckt ihre Neugier, und als sie von Sophies unbefriedigendem Dasein als Geliebter erfährt, will sie ein bisschen Schicksal spielen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Geschickt verknüpft Drehbuchautorin Nina Bohlmann zwei im Grunde gänzlich unterschiedliche Geschichten und lässt auf diese Weise eine dritte entstehen: hier die unleidliche Hannah, deren Interesse an Sophies Beziehung die gleiche Ursache hat wie ihre ständige schlechte Laune, dort Sophies Liebe zu einem verheirateten Arzt (Bernhard Schir), der ihr regelmäßig Hoffnungen macht, er werde seine Familie verlassen, und der dann doch stets neue Ausflüchte findet. Dass Hannah parallel dazu eher widerwillig eine gewisse Zuneigung zu einem Altersgenossen (Uwe Friedrichsen) entwickelt, sorgt immer wieder für komische Momente.
Beide nehmen an einem Projekt teil, das alten Menschen helfen soll, ihren Alltag zu strukturieren. Dank einer Rundumüberwachung ihrer Wohnungen werden sie von einer Computerstimme darauf hingewiesen, dass der Herd noch an, aber das Klo nicht abgespült ist oder dass sie ihre Tabletten nehmen müssen; die entsprechenden Dialoge zwischen Mensch und Maschine sind ein steter Quell der Heiterkeit.
Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt
Weil sie im Rahmen der Betreuung gelernt hat, einen Computer zu bedienen, kann sich Hannah in Sophies E-Mail-Verkehr einmischen, denn die Nachbarin hat einen USB-Stick mit ihren Passwörtern bei ihr verloren; und natürlich ist klar, dass diese Verletzung der Intimsphäre irgendwann rauskommen und die Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird. Trotzdem gelingt es Buch und Regie, die verschiedenen Erzählstränge zu jeweils glaubwürdigen Auflösungen zu führen. Inszeniert wurde "Tür an Tür" von Matthias Steurer ("Zimtstern und Halbmond"), der mit "Kleine Schiffe" erst kürzlich die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei gänzlich unterschiedlichen Frauen erzählt hat. Auch hier führt er die beiden Hauptdarstellerinnen zu sehenswerten Leistungen, wobei Thekla Carola Wied allerdings dank Hannahs Bosheit die mit Abstand besten Dialoge hat.