Hannover, Köln (epd). "Die Polizei verdient Verstärkung, die sie bislang trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht bekommen hat", sagte Christian Pfeiffer, der ehemalige Chef des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Darüber hinaus müsse in einigen Bundesländern die Strafverfolgung bei Sexualdelikten verbessert werden.
Der Karneval habe gezeigt, dass Frauen bei entsprechender Polizeipräsenz durchaus öffentlich ausgelassen feiern könnten, ohne belästigt zu werden, betonte Pfeiffer. Der bekanntgewordene Vorab-Bericht des Bundeskriminalamts biete keine neuen Erkenntnisse. Es sei schon vorher klar gewesen, dass die Polizei damals in Köln, Hamburg und anderen Städten schlecht aufgestellt gewesen sei. Leider müssten die Opfer nun damit leben, dass die große Mehrzahl der Taten nicht aufgeklärt werden könne. "Das erzeugt Frust, ist aber nicht mehr zu ändern."
Grundsätzlich sei die Verurteilungsquote nach angezeigten Vergewaltigungen erschreckend niedrig, bemängelte Pfeiffer. "Von 100 Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, erleben nur ganze acht, dass der Täter auch verurteilt wird." Daran lasse sich durchaus etwas ändern. Denn die Diskrepanz der Bundesländer untereinander sei sehr hoch. Einige lägen bei nur drei Prozent Verurteilungsquote, andere bei mehr als 20 Prozent.
Neues Sexualstrafrecht "weltweit einmalig"
Der Vorschlag des Kriminologen lautet deshalb, mehrere Tausend Vergewaltigungsopfer, die eine Anzeige erstattet haben, danach zu befragen, was sie bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls im Strafprozess erlebt haben. Gestützt auf die so gewonnenen Erkenntnisse könnten dann Empfehlungen für die Länder erarbeitet werden, deren Verurteilungsquoten besonders niedrig liegen.
Der Professor lobte das in der vergangenen Woche beschlossene neue Sexualstrafrecht als "weltweit einmalig". Auch das sei Folge der Vorkommnisse aus der Silvesternacht. Unter dem Grundsatz "Nein heißt Nein" kann danach bestraft werden, wer sexuelle Handlungen erzwingt, indem er sich über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt.
"Entscheidend ist dabei, dass der Gesetzgeber damit eine eindeutige Position bezieht und sexuelle Handlungen wie Busengrapschen unter Strafe stellt." Tatsächlich sei zwar eine Strafverfolgung schwierig, räumte Pfeiffer ein. "Aber jeder Mann muss künftig die soziale Ächtung fürchten, wenn gegen ihn ein Verfahren eröffnet wird wegen sexueller Belästigung."