Ermittler entdecken weitere mögliche Mordopfer von Ex-Krankenpfleger

Ermittler entdecken weitere mögliche Mordopfer von Ex-Krankenpfleger
Der wegen mehrfachen Mordes an Patienten verurteilte Ex-Krankenpfleger Niels H. soll für weitere Todesfälle verantwortlich sein. Der Oldenburger Polizeipräsident warf den Verantwortlichen vor, sie seien Hinweisen nicht nachgegangen.

Oldenburg, Delmenhorst (epd). Zu den bekannten sechs Morden soll H. allein im Krankenhaus Delmenhorst mindestens 27 weitere Menschen getötet haben, sagte der Leiter der Soko "Kardio", Arne Schmidt, am Mittwoch in Oldenburg. Ebenfalls unbekannt war bisher, dass der Ex-Pfleger zuvor auch im Klinikum Oldenburg zahlreiche Menschen getötet haben soll. In neun Fällen liege bereits ein Gutachten vor, jedoch werde weiter ermittelt. Inzwischen habe H. alle Vorwürfe "pauschal" gestanden. An Namen und Einzelheiten könne er sich nicht mehr erinnern.

Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme erhob schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in beiden Kliniken. Wären sie rechtzeitig vorhandenen Hinweisen nachgegangen, hätten die Morde in Delmenhorst verhindert werden können, sagte Kühme. Gegen drei Verantwortliche der Oldenburger Klinikleitung und fünf des Delmenhorster Krankenhauses ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Totschlags durch Unterlassung.

Aus Langeweile gemordet

Soko-Chef Schmidt zufolge wurden bisher 99 Gräber geöffnet, um die gestorbenen Patienten zu untersuchen. In den meisten der bisher geklärten Fälle habe Niels H. Patienten ein Herzmedikament mit dem Wirkstoff Ajmalin gespritzt. Die Patienten gerieten danach in einen lebensbedrohlichen Zustand und mussten wiederbelebt werden. H. habe vor Gericht gestanden, dies aus Langeweile getan zu haben. Außerdem habe er Kollegen und Vorgesetzte durch seine Fähigkeiten bei der Reanimation beeindrucken wollen. Dabei habe er den Tod der Patienten billigend in Kauf genommen.

Im Februar 2015 wurde H. für sechs Morde im Delmenhorster Krankenhaus zu lebenslanger Haft verurteilt. Dabei stellte das Gericht eine besondere Schwere der Tat fest, so dass H. nicht nach 15 Jahren vorzeitig entlassen werden kann. Durch die neuen Erkenntnisse kämen nun 27 Fälle hinzu, sagte Schmidt. In sieben weiteren Fällen stehe ein Gutachten noch aus. Die Ermittlungen liefen weiter. Wie viele Mordversuche H. insgesamt in unternommen habe, sei nicht mehr feststellbar. Bei überlebenden Patienten verflüchtige sich das Ajmalin binnen weniger Stunden im Stoffwechsel.

Verantwortliche hätten handeln müssen

Nach der Auswertung zahlreicher Akten habe sich der Verdacht erhärtet, dass H. auch mit anderen Medikamenten vorgegangen sein könnte, berichtete Schmidt. In Oldenburg bestehe nach der Aktenstudie der Verdacht, dass H. die Patienten mit Kalium vergiftet habe. Dies lasse sich jedoch bei einer Exhumierung nicht mehr nachweisen. Auch andere Medikamente kämen in betracht, etwa Beta-Blocker. "Wir gehen von weiteren Opfern aus."

Derzeit prüfen Ermittler und Staatsanwaltschaft zudem, ob die Verantwortlichen in den Kliniken eine Mitverantwortung trifft. In Oldenburg sei die Zahl der Todesfälle nach Reanimationen ab 2001 um bis zum Dreifachen angestiegen - immer dann, wenn H. Dienst hatte, sagte Schmidt. Dies sei auch der Klinikleitung aufgefallen und ein Gutachten erstellt worden. Allerdings seien nicht die richtigen Schlüsse gezogen worden.

Es gebe Indizien, dass auch in Delmenhorst die Klinikleitung ab Mitte 2003 über entsprechende Hinweise verfügte, sagte Schmidt. Spätestens 2005 hätten sich die Hinweise so verdichtet, dass die Verantwortlichen hätten handeln müssen. Die Ermittlungen gegen die Klinikleitungen sollen bis Ende Juli abgeschlossen sein.