TV-Tipp: "Frances Ha" (Arte)

TV-Tipp: "Frances Ha" (Arte)
15.6., Arte, 20.15 Uhr: "Frances Ha"
Als Woody Allen Ende der Siebziger mit "Der Stadtneurotiker" und "Manhattan" seine wohl besten Filme gemacht hat, war er Anfang vierzig. Wäre er heute 27 und stünde am Beginn seiner Karriere, würde er vielleicht ein komisches Drama wie "Frances Ha" inszenieren.

Ähnlich wie damals Allen erzählt Noah Baumbach eine Geschichte, die auf den ersten Blick auf klassische Dramaturgie verzichtet und statt dessen Augenblicke sammelt. Der episodische Stil passt perfekt zum unsteten Lebenswandel der Titelheldin: Frances (Greta Gerwig) ist 27 und Tänzerin, sie lebt in Brooklyn, New York, und will nicht wahrhaben, dass die Zeit der unbeschwerten Jugend definitiv hinter ihr liegt. Während die Menschen in ihrem Umfeld ein ziemlich zielführendes Dasein führen, weiß Frances im Grunde nicht, wie’s weitergeht: Die anderen haben Pläne, sie hat Träume. Als ihre beste Freundin Sophie (Mickey Sumner) ein bürgerliches Leben beginnt, Frances die gemeinsame Wohnung verlassen muss und schließlich ihre Arbeit verliert, kehrt sie sogar aufs College zurück, wenn auch nur im Rahmen eines Aushilfsjobs, und sträubt sich weiterhin hartnäckig dagegen, erwachsen zu werden.

Es wird unglaublich viel geredet in diesem Film, und wer das nicht mag, wird "Frances Ha" für geschwätzig halten. Die Dialoge wirken wie improvisiert und klingen entsprechend lebensnah, Fettnäpfchen und anschließendes betretenes Schweigen inklusive. Dadurch sind sie zwar bedeutend weniger pointiert als die geschliffenen Wortwechsel Woody Allens, aber dennoch sind die Parallelen offenkundig. Dass Baumbach den Film in Schwarzweiß gedreht hat, betont die Verwandtschaft zu "Manhattan" noch: Auch "Frances Ha" ist eine Hommage an New York und an ein ganz bestimmtes Lebensgefühl, zumal die Figuren ebenfalls aus jenem intellektuellen Künstler-, Anwalts- und Bankermilieu stammen, mit dem auch Allen sein filmisches Universum bevölkert. In diesen Kreisen ist es obligat, von Paris zu schwärmen, weshalb sich auch die völlig verschuldete Frances zu einem Wochenend-Trip hinreißen lässt. Die Stippvisite ist einer von drei Exkursen; die beiden anderem gelten dem Weihnachtsbesuch bei den Eltern und der vorübergehenden Rückkehr aufs College. Strukturiert wird die Handlung durch Frances’ diverse Umzüge. Die Ortswechsel sind ebenso Teil des "Coming of Age"-Prozesses wie die schmerzhafte Trennung von Sophie und die anderen großen und kleinen Enttäuschungen, die sich schließlich zur Lebenserfahrung summieren und Frances erwachsen werden lassen.

Greta Gerwig, die gemeinsam mit Baumbach das Drehbuch geschrieben hat und schon seine Hauptdarstellerin in "Greenberg" war, versieht diese junge Frau, die sich an ihre Jugend klammert, mit einer großartigen Mischung aus Naivität, Trotz und Fröhlichkeit, hinter der aber eine gewisse Verzweiflung zu spüren ist. Um so schöner ist der wortlose Schluss, mit dem Baumbach den rätselhaften Titel erklärt; er legt die Hoffnung nahe, dass sich Frances einen Teil ihrer Unbekümmertheit bewahren wird. Ein ausgesprochen kurzweiliger Film; und das keineswegs bloß, weil er (ohne Abspann) nur achtzig Minuten dauert.