"Dann hau doch ab!" - Kinder drehen Luther-Film

Foto: epd-bild/Peter Sierigk
Der fünfjährige Fabian als Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms
"Dann hau doch ab!" - Kinder drehen Luther-Film
Die Rolle von Martin Luther wird von einem Fünfjährigen gespielt. Für ein ungewöhnliches Filmprojekt haben Braunschweiger Kita-Kinder die Zeit der Reformation vor 500 Jahren nachempfunden. Der Film feiert an diesem Samstag Premiere.
11.06.2016
epd
Charlotte Morgenthal

Der schwere Eisenschlüssel am Gürtel von Fabians Kostüm ist fast halb so groß wie er. "Damit komme ich als Mönch in meine Zelle", erklärt der Fünfjährige stolz. In der einen Hand hält er eine Bibel. Für ein ungewöhnliches Filmprojekt spielt der Junge die Rolle des Reformators Martin Luther (1483-1546). Insgesamt sechs Kindertagesstätten aus Braunschweig haben sich auf die Spuren des Mittelalters begeben und drehen einen Film über die Zeit der Reformation vor 500 Jahren. Der etwa 25-minütige Streifen feiert am Samstag (11. Juni) in der Braunschweiger St. Andreaskirche Premiere.

Am Filmset in der Braunschweiger St. Georgskirche wuseln etwa 15 mittelalterlich kostümierte Kinder umher. Der Altarraum ist mit schweren roten Samttüchern abgehängt. Gedreht wird die Szene vom Reichstag zu Worms. Dort hatte sich der Reformator 1521, rund dreieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung seiner 95 Thesen, vor Kaiser Karl V. (1500-1558) öffentlich geweigert, seine Glaubenslehren zu widerrufen.

Mit einer Feder ein Buch schreiben

Der fünfjährige Rene ist an diesem Tag Kameramann und hat sich schon erwartungsfroh hinter das Stativ gestellt. Filmkünstler Rainer Untch zeigt ihm die Einstellungen. Dann drückt Rene auf einen Knopf, und eine rote Lampe leuchtet auf. "Kamera läuft", ruft er durch die Kirche. Mit einem Mal sind alle Kinder hoch konzentriert.

Fabian alias Martin Luther marschiert ins Bild und baut sich mit der Bibel in der Hand vor dem Kaiser auf. "Ich finde es unfair, dass der König so viel Geld hat und die anderen nicht", ruft er seinem Gegenüber zu. Dann wird die Szene von Untch noch einmal gestoppt. "Martin Luther, kannst Du ein bisschen weiter reingehen?", fragt er. Und zeigt gleich darauf allen Kindern einen "alten Filmtrick": Mit Klebeband markiert er auf dem Boden, wo Luther stehen bleiben soll.

Eine Erzieherin der Kindertagesstätte St. Georg in Braunschweig hilft Fabian in sein Luther-Kostüm.


Das Berliner Filmteam bestehend aus Untch und der Künstlerin Simone Schander hat schon zahlreiche historische Filmprojekte in Kindergärten und Schulen realisiert. Geschichte sei ein Thema, das Kinder grundsätzlich interessiere, sagt Schander. "Dabei müssen es nicht immer die Dinosaurier sein." Der Begriff der Reformation sei zwar für die Kinder weit weg, werde aber verständlich, wenn die damaligen Geschehnisse in verschiedene Themen heruntergebrochen würden.

Bei diesem Filmprojekt seien die Kinder beispielsweise in die Gruft des Braunschweiger Doms gegangen oder hätten ausprobiert, wie schwierig es ist, mit einer Feder ein Buch wie die Bibel abzuschreiben, sagt Schander. Spannende Sachen seien oft schon vor der Tür zu entdecken und würden durch die Erlebnisse nachvollziehbar. 

Die Babypuppe soll Martin heißen

Kerstin Pustoslemsek von der Fachberatung Kindertagesstätten der braunschweigischen Landeskirche betont, dass die Kinder bei dem Projekt anlässlich des 500. Reformationsjubiläums viel lernen könnten. Viele Themen, die Martin Luther damals entdeckt habe, seien heute noch aktuell. Dazu gehöre etwa, dass Gott nicht streng sei und jeden annehme und liebe, so wie er ist. Vom Regie-Assistenten bis zum Kaiser habe jedes Kind bisher eine Rolle gefunden. "Die Kinder werden in ihrer Vielfalt wahr- und ernstgenommen."

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Absichtlich verzichte das Projekt auf auswendig gelernte Dialoge, um die kleinen Darsteller in ihren Rollen nicht zu hemmen, ergänzt Untch. So endet der Streit in Worms in einem wilden Wortgefecht zwischen Luther und dem Kaiser, der ihn schließlich verbannt: "Dann hau doch ab!". Grummelnd macht Luther kehrt und läuft zwischen den Kirchenbänken Richtung Ausgang. Nach einer halben Stunde lasse die Konzentration der vier- bis sechsjährigen Darsteller auch nach, sagt Untch. Dann geht es zum Toben vor die Kirchentür.  

Die Filmszenen werden von Untch nach jedem Drehtag mit Musik oder anderen Geräuschen unterlegt. So zeigt der Filmbeginn Luthers Vater, wie er ungeduldig vor einer hölzernen Tür wartet. Schließlich ist von drinnen Babygeschrei zu hören. Musik setzt ein und die Tür öffnet sich. Die Mutter kommt mit einer Puppe auf dem Arm heraus. "Es ist ein Junge", sagt sie. Und der Vater antwortet bedeutungsvoll: "Er soll Martin heißen." Filmemacher Untch erzählt: "Beim Anschauen hatten die Erzieherinnen bereits Tränen in den Augen."