"Bis nichts mehr bleibt" ist der treffende Titel dieses von teamWorx produzierten SWR-Films. Es geht um Scientology, doch vordergründig erzählt Niki Stein (Buch und Regie) vom Kampf eines Vaters um sein Kind: Die Rahmenhandlung ist eine Gerichtsverhandlung, in der Frank Reiners (Felix Klare) seiner Frau Gine (Silke Bodenbender) das Sorgerecht entziehen will. In Rückblenden wird erzählt, wie erst Frank und dann auch Gine in den Sog der Psycho-Sekte geraten, wie sie sich immer mehr darin verstricken, immer abhängiger werden; bis Frank beinahe zu spät erkennt, dass er seine Seele verkauft hat.
Die Gehirnwäsche funktioniert perfekt
Gerade die Verknüpfung von Rahmen und Rückblende ist äußerst geschickt: Immer wieder wechselt der Film die Ebenen, um während des Prozesses bestimmte Bezeichnungen oder Entwicklungen zu erklären. Die Welt der Sekte bleibt dennoch fremd; ganze Dialoge der Mitglieder untereinander klingen wie sinnloses Kauderwelsch, zumal diverse Begriffe ähnlich wie bei Orwell im Sprachgebrauch der Scientologen ihr exaktes Gegenteil bedeuten. Dass die Verhandlung dennoch mitunter wie Fußnotenfernsehen wirkt, weil Franks Anwältin (Suzanne von Borsody) aufs Stichwort die passende Interpretation liefert, lässt sich vermutlich gar nicht vermeiden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Felix Klare ist als Stuttgarter "Tatort"-Kommissar" natürlich zu gewissem Ruhm gekommen, aber immer noch unverbraucht genug, um Franks Wandlung überzeugend zu verkörpern: Erst macht sich der junge Mann über die seltsamen Tests lustig, aber dann wird er sich langsam seines neuen Selbstvertrauens bewusst. Als auch Gine in die Sekte eintritt und eine glänzende Scientology-Karriere hinlegt, während er bei Veranstaltungen die Stühle abräumen darf, dämmert Frank endlich, dass er bloß Mittel zum Zweck ist.
Obwohl Stein darauf verzichtet, Scientology zu dämonisieren, ist der auf tatsächlichen Schicksalen basierende Film erschütternd: weil nachdrücklich deutlich wird, wie perfekt die Gehirnwäsche funktioniert. Ein klug geschriebenes, zurückhaltend inszeniertes Drama, das sich ganz auf die Wirkung der Schauspieler verlässt (in weiteren Rollen: Nina Kunzendorf, Sabine Postel, Victoria Trauttmansdorff). Stein macht es dem Publikum allerdings nicht leicht; erst recht nicht mit dem Schluss.