Berlin (epd) Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hält nichts von einer flächendeckenden Beobachtung von Moscheegemeinden in Deutschland. "Wir beobachten Extremisten, nicht Muslime", sagte Maaßen am Montag in Berlin und warnte davor, "religiöse Extremisten und Muslime in einen Topf zu werfen".
Die aktuelle Debatte über die Stellung des Islam sei derzeit "ein Thema des politischen Diskurses" und keine Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden. Aktuell würden Einzelpersonen in etwa 90 islamistischen Moscheegemeinden beobachtet. Es handele sich vor allem um arabischsprachige Hinterhofmoscheen mit selbst ernannten Imamen oder Emiren, sagte der Chef des Verfassungsschutzes auf einer Tagung von rund 300 Sicherheitsexperten zum Thema "Islamischer Staat" (IS).
"Gesellschaftliches Klima rauer geworden"
Zugleich fürchtet Maaßen offenbar um den gesellschaftlichen Frieden im Land. Das Klima sei "insgesamt rauer geworden", vor allem im rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Bereich, gerade auch im Zusammenhang mit der Debatte um den Islam in Deutschland, sagte Maaßen mit Blick auf die jüngsten Vorschläge zur Beobachtung von Moscheen und die Islam-Debatte auf dem AfD-Parteitag. Dabei lehnte er auch die Beobachtung der rechtspopulistischen Partei durch den Verfassungsschutz ab und betonte: "Wenn in der AfD Extremisten sind, schauen wir uns die an - genauso wie wir das bei anderen Parteien tun."
Allerdings stelle der Flüchtlingsstrom die Sicherheitsbehörden in Europa "vor immense Herausforderungen", sagte Maaßen. Er sei "ein Push-Faktor für die Angriffe von Rechtsextremisten" und führe so zu "Verwerfungen in demokratischen Gesellschaften".
Dabei sei die Terrormiliz IS nicht nur mitursächlich für "eine bislang ungeahnte Flüchtlingswelle". Er schätzte auch die Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland unverändert hoch ein, sagte Maaßen dem RBB-Inforadio. Der IS sei bestrebt, "auch bei uns Anschläge zu begehen". Deutschland sei genauso gefährdet wie Frankreich oder Belgien. "Die Gefahrenlage sehen wir als sehr ernst an. Sie hat in den vergangenen Monaten in ganz Westeuropa zugenommen", unterstrich Maaßen. Zudem sei die Bedrohungslage heute "wesentlich komplexer" als noch vor einigen Jahren.
260 Rückkehrer aus Syrien
Laut Verfassungsschutzchef sind mittlerweile mehr als 800 Personen in die Kampfgebiete nach Syrien ausgereist. 130 wurden getötet, davon etwa 20 durch Selbstmordanschläge. Weitere 260 Personen seien wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Diese Personen sehe man als durchaus gefährlich an, sagte Maaßen.
"An den Anschlägen in Paris und Brüssel waren dort aufgewachsene Islamisten, Rückkehrer aus Kriegsgebieten und angebliche Flüchtlinge beteiligt." Diese Verzahnung zeige das hochkomplexe Vorgehen des islamistischen Terrorismus in Europa. "Wir müssen künftig multiple Anschlagsszenarien einkalkulieren, durch mehrere Zellen, gegen verschiedene Ziele und möglicherweise über mehrere Tage." Derzeit gebe es aber "keine Hinweise auf terroristische Zellen in Deutschland, die eine Gefahr für uns darstellen können".
Maaßen plädiert in dem Zusammenhang für einen besseren Datenaustausch: "Den grenzüberschreitend agierenden Tätergruppen müssen wir durch eine vertiefte internationale Kooperation der Sicherheitsbehörden begegnen", betonte der Verfassungsschutzchef. "Das wird noch weiter fortentwickelt, und das ist wichtig, um die Möglichkeiten der Freizügigkeit von Terroristen in Europa zu flankieren und um die Sicherheitsdefizite, die dadurch entstehen können, auch zu beseitigen."