Neuer Streit mit Türkei: Interneteintrag mit "Völkermord" bleibt

Neuer Streit mit Türkei: Interneteintrag mit "Völkermord" bleibt
Kritik nach versuchter Einflussnahme wegen Dresdner Musikprojekts
Nach der "extra-drei"-Satire und dem "Schmähgedicht" von Jan Böhmermann nun ein Musikprojekt aus Dresden: Schon zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen reagiert die Türkei auf deutsche Kunst und Kultur und zieht damit ihrerseits Kritik auf sich.

Berlin/Dresden/Brüssel (epd) Auch nach einer versuchten neuen Einflussnahme der Türkei: Die Beschreibung des Dresdner Musikprojekts "Aghet" auf einer Website der EU, in der die türkischen Massaker an den Armeniern als "Völkermord" bezeichnet werden, war am Montag weiterhin online. Unterdessen gab es weiter Kritik am Vorgehen der Türkei.

Die türkische Delegation bei der EU in Brüssel hatte sich vor wenigen Tagen wegen des Musikprojeks "Aghet" an die EU-Kommission gewandt, wie die Delegation am Montag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. "Ja, wir haben die Kommission kontaktiert und unsere Bedenken übermittelt." Anlass der Kontaktaufnahme sei gewesen, dass die Beschreibung von "Aghet" auf einer EU-Website die Ereignisse von vor 100 Jahren einseitig darstelle. "Wir haben gesehen, dass dieses Projekt die armenische Perspektive reflektierte."

Es geht um das Konzertprojekt "Aghet". Der armenische Begriff "Aghet" (dt.: Katastrophe) steht für den Genozid an der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich mit bis zu 1,5 Millionen Toten, der vor 101 Jahren im Ersten Weltkrieg begann. Die Türkei wehrt sich gegen die Einstufung der Massaker zwischen 1915 und 1917 als Genozid.

Von den Projektverantwortlichen verfasst

Die Dresdner Sinfoniker hatten der Türkei am Sonntag in einer Erklärung versuchte Einflussnahme auf die Förderung von "Aghet" vorgeworfen. Die türkische EU-Vertretung habe die Einstellung der finanziellen Unterstützung von "Aghet" gefordert, erklärte das Orchester in Dresden. Dies wollte die Delegation am Montag nicht bestätigen. Die Delegation machte im Übrigen geltend, dass die Türkei selbst am europäischen Programm "Creative Europe", in dessen Rahmen "Aghet" gefördert wird, beteiligt sei und auch finanzielle Mittel dafür bereitstelle.

Die Sinfoniker erklärten am Sonntag, die EU-Kommission sei der Forderung nicht nachgekommen, habe aber eine "Entschärfung" der bisherigen Formulierungen auf der Internetseite angekündigt. Die Projektbeschreibung sei deshalb zunächst von der Internetseite gelöscht worden.

Die EU-Kommission stellte dies anders dar. "Die türkischen Autoritäten haben uns kontaktiert, weil sie glaubten, dass die Beschreibungen die Meinung der Kommission reflektieren", sagte Chefsprecher Margaritis Schinas in Brüssel. Dies sei aber nicht der Fall, vielmehr würden die Beschreibungen von den Projektverantwortlichen selbst verfasst. "Die Position der Kommission darüber ist klargemacht worden, auch schriftlich gegenüber dem türkischen Botschafter", sagte Schinas. "Die Kommission kann weder in den künstlerischen Inhalt oder Titel von geförderten Projekten noch in die auf unserer Website veröffentlichten Beschreibungen, die im Bereich der Freiheit der künstlerischen Meinung bleiben, eingreifen", fügte er hinzu.

Deutscher Kulturrat befremdet

Tatsächlich war auf der Website am Montag eine Projektbeschreibung online, die mit den Sätzen beginnt: "Das Jahr 2015 markiert den 100. Jahrestag der ethnischen Säuberung an den Armeniern im Osmanischen Reich. Dieser Genozid, der immer noch von den türkischen Autoritäten geleugnet wird, demonstriert auf furchtbare Weise die von den Jungtürken angeführte Anpassung des Osmanischen Reiches an die westliche Modernität." Unter dem noch weiter gehenden Text findet sich der "Disclaimer": "Die Europäische Union ist für keinen der hochgeladenen oder unterbreiteten Inhalte verantwortlich. Solche Inhalte geben nur die Sichtweise des oder der Autoren wieder."

Unterdessen reagierte der Deutsche Kulturrat mit Befremden auf die versuchte Einflussnahme. Eine Einmischung der Türkei in deutsche Angelegenheiten dürfe es keinesfalls geben, sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist nicht die Aufgabe der Kommission, sich in künstlerische Prozesse einzumischen", betonte er.