TV-Tipp: "Die Heimkehr" (ARD)

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TV-Tipp: "Die Heimkehr" (ARD)
27.5., ARD, 20.15 Uhr: "Die Heimkehr"
Die Kongenialität von Filmemacher und Schriftsteller hat einen Film ergeben, der ganz leise daherkommt und dennoch überwältigt: weil es Baier und seinem Kameramann Wedigo von Schultzendorff gelungen ist, in Bilder zu fassen, was den Grundgedanken von Hesses Schreiben ausmacht. "Die Heimkehr" ist daher weitaus mehr als bloß eine Adaption der ohnehin überschaubaren frühen Erzählung gleichen Titels.
Es ist ebenso verblüffend wie bezeichnend, dass es in Deutschland bislang noch keine einzige Hesse-Verfilmung gab: Der weltberühmte Autor musste erst 1946 den Nobelpreis bekommen, um auch in seinem Heimatland etwas zu gelten. Hinzu kommt, dass die Werke Hermann Hesses nach wie vor Literatur vor allem für junge Menschen sind; in späteren Lebensjahren geraten die Bücher in Vergessenheit.
Umso lobenswerter war die Idee des SWR, das Versäumte anlässlich des fünfzigsten Todestages – Hesse starb am 9. August 1962 – nachzuholen. Das Projekt wurde Jo Baier anvertraut. Es verbietet sich naturgemäß, von einem "Glücksgriff" zu sprechen, schließlich weiß der SWR aus eigener Erfahrung um die herausragenden Qualitäten des dutzendfach ausgezeichneten Autors und Regisseurs, dem der Sender herausragende Fernsehfilme wie "Stauffenberg" und "Nicht alle waren Mörder" verdankt. Nicht automatisch vorauszusetzen war allerdings die Seelenverwandtschaft zwischen Baier und dem von ihm verehrten Hesse. Die Kongenialität von Filmemacher und Schriftsteller hat einen Film ergeben, der ganz leise daherkommt und dennoch überwältigt: weil es Baier und seinem Kameramann Wedigo von Schultzendorff gelungen ist, in Bilder zu fassen, was den Grundgedanken von Hesses Schreiben ausmacht. "Die Heimkehr" ist daher weitaus mehr als bloß eine Adaption der ohnehin überschaubaren frühen Erzählung gleichen Titels.
 
 
Das verblüffendste Moment des Films ist jedoch die Modernität der Geschichte. Baier hat die Handlung zu ihrer Entstehungszeit angesiedelt, also zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Irgendwo in der schwäbischen Provinz erregt ein Heimkehrer großes Aufsehen: Vor dreißig Jahren hat August Staudenmeyer, vom Vater verstoßen, das Weite gesucht. In der Fremde zum wohlhabenden Mann geworden, hat ihn nun die Sehnsucht zurück in seinen Heimatort Gerbersau getrieben. Alsbald aber muss er erkennen, dass er längst eine Nummer zu groß für die Enge und Engstirnigkeit seiner einstigen Mitbürger ist. Dass er sein Glück am Ende ausgerechnet einem tragischen Unglücksfall zu verdanken hat, ist zwar die offenkundigste und bitterste Ironie der Geschichte, doch sie fügt sich ins Gesamtbild: weil August Zirner seinen Helden ohnehin mit einer oft bloß in Blicken oder Haltungen verkörperten spöttischen Distanz spielt. Dank seiner hellen Kleidung hebt er sich zudem schon optisch von den stets düster gewandeten Gerbersauern ab, die dank ihrer Bigotterie und Verklemmtheit auch charakterlich eher finstere Zeitgenossen sind. Das zeigt sich vor allem bei ihrem Umgang mit einer in Ungnade gefallenen Witwe (Heike Makatsch), der sie in Wirklichkeit ausnahmslos an die Wäsche wollen.
Baier setzt die Handlung mit der ganzen Gelassenheit um, die ein herausragendes Talent und jahrzehntelange Erfahrung mit sich bringen. Der Film wirkt daher fast mühelos inszeniert, zumal sich alles so wunderbar selbstverständlich zusammenfügt: das Kostümbild (Esther Amuser), die Ausstattung (Christian Strang), die vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR eingespielte Musik (Jörg Lemberg) und die namhaften Schauspieler (Herbert Knaup, Oliver Stokowski, Margarita Broich) ebenso wie die vielen Laiendarsteller. Baiers Kunst besteht zudem darin, die großen Themen der Geschichte beiläufig und ohne große Worte zu behandeln. Der Nonkonformist August trägt aus Sicht beider, Baiers wie Hesses, autobiografische Züge. "Finde dich selbst und gehe dann deinen Weg, unbeirrbar und dir selbst treu" ist für Baier eine der Quintessenzen von Hesses Gesamtwerk. Und selbstredend ist Augusts Suche nach seinem Platz in der Welt nichts anderes als die Suche nach sich selbst. Dass er die Heimat schließlich dort findet, wo sein Herz schlägt, ist der Grund, warum sich junge Leser auch heute noch in Hesses Werk wiederfinden.