Frankfurt a.M. (epd) Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) trifft mit seinem Vorschlag, Flüchtlinge auch im ländlichen Raum unterzubringen, auf Zustimmung. "Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nicht allein auf die Städte konzentrieren können", sagte Schmidt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagsausgabe): "Also dürfen wir bei dieser Frage keinen Bogen um den ländlichen Raum schlagen." Wo Wohnraum zur Verfügung steht und günstig ist, sollte man diesen auch nutzen. Verbände stimmen der Forderung grundsätzlich zu - allerdings sei finanzielle Unterstützung nötig.
Stärkere Sozialkontrolle auf dem Land
Er ziele zunächst vor allem auf mittlere Städte, erläuterte Minister Schmidt: "Das werde ich konkreter mit den Ländern besprechen und beschließen müssen." Der Goslarsche Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU) unterstützt Schmidts Vorschlag. Jede Stadt mit mehr als 15.000 Einwohnern habe "perfekte Voraussetzungen, um Flüchtlinge gut zu integrieren", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Junk hatte 2014 bundesweit mit dem Vorschlag für Aufsehen gesorgt, viel mehr Flüchtlinge in der Stadt aufzunehmen als vorgesehen. "Ich habe von Anfang an gesagt, die Großstädte schaffen das nicht", betonte er. Mittelstädte im ländlichen Raum, wie zum Beispiel Goslar, hätten viel Potenzial, um die Flüchtlingsintegration zu organisieren. Die Regionen könnten davon erheblich profitieren.
Minister Schmidt betonte, die Willkommenskultur auf dem Land sei wahrscheinlich intensiver als in den Städten: "Wegen der stärkeren Sozialkonktrolle auf dem Land sollte die Integration dort besser gelingen können als in anonymen Städten." Er werde dies in einem Forschungsprogramm untersuchen lassen.
Der Deutsche Landkreistag stimmt dem grundsätzlich zu. "In den Landkreisen sind die Bedingungen für Integration in aller Regel gut, weil überschaubare Strukturen, eine hohe Zahl an Ehrenamtlichen und ein dichtes Vereinsnetz in diesem Zusammenhang sehr günstig sind. Auch finden Familien ein Umfeld vor, das hilfreich ist", sagte Präsident Reinhard Sager dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Viele Flüchtlinge kennen diese Vorzüge des ländlichen Raumes nicht."
Erhalt der ländlichen Infrastruktur
Ähnlich sieht das der Deutsche Städte- und Gemeindebund. "Aus unserer Sicht bieten sich in den ländlichen Regionen bessere Chancen für die Integration der Geflüchteten, wenn die dafür zwingend notwendigen finanziellen Mittel für strukturpolitische Maßnahmen und Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stehen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir erwarten daher von Bund und Ländern, dass eine Wohnsitzpflicht mit ausreichenden Finanzmitteln flankiert wird."
Minister Schmidt fügte hinzu, es könne Synergieeffekte geben, wenn Flüchtlinge auf dem Land untergebracht würden. So könnten beispielsweise Grundschulen in diesen Regionen durch den Zuzug von Flüchtlingsfamilien vor der Schließung bewahrt werden. Auch Oberbürgermeister Junk sieht das als mögliche positive Wirkung: Es gehe insgesamt um den Erhalt von Infrastruktur im ländlichen Raum. "Das geht nur, wenn wir Menschen haben." Eine sinkende Einwohnerzahl berge für Städte wie Goslar die Gefahr einer "brutalen Abwärtsspirale".
Schmidt erläuterte, es gebe im ländlichen Raum aber auch Grenzen der Aufnahmefähigkeit: "Ich denke an einen Fall, an einen Ort mit 60 Einwohnern, wo jemand ein leerstehendes Gasthaus gekauft hat, wo mehr Flüchtlinge lebten als Ortsansässige", sagte der Minister. "Das hat nicht funktioniert."