BGH-Urteil: VG Wort darf nicht mehr an Verlage ausschütten

BGH-Urteil: VG Wort darf nicht mehr an Verlage ausschütten
Die VG Wort schüttet ihre Urheberrechtseinnahmen zu Unrecht an die Verlage aus, urteilte der Bundesgerichtshof. Den Verlagshäusern drohen nun hohe Rückzahlungsforderungen, manche sehen sogar ihre Existenz bedroht.

Karlsruhe (epd) Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) darf ihre Urheberrechtseinnahmen nicht mehr an die Verlage auszahlen. Berechtigt seien ausschließlich die Rechteinhaber wie Autoren und Journalisten, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe. Die VG Wort, die die Urheberrechte von rund 490.000 Autoren und Journalisten wahrnimmt, muss ihren Verteilungsplan nun von Grund auf ändern. Die Verlage rechnen mit Rückzahlungen an die Gesellschaft in Millionenhöhe und fordern gesetzliche Nachbesserungen. (AZ: I ZR 198/13)

Wortautoren wie Journalisten, Buchautoren oder auch Autoren wissenschaftlicher Artikel können mit der 1958 gegründeten VG Wort einen sogenannten Wahrnehmungsvertrag abschließen. Die VG Wort wird damit ermächtigt, die Urheberrechte der Autoren geltend zu machen. Sie erhebt daher von Bibliotheken, Kopiergeräteherstellern und auch PC- und Druckerherstellern eine "angemessene" Urheberabgabe. Im Geschäftsjahr 2014 nahm die VG Wort rund 144 Millionen Euro ein.

Verlage erhielten 2014 bis zu 50 Prozent

Der Verteilungsplan der VG Wort sieht vor, dass nicht nur die Urheber an den Einnahmen beteiligt werden. Für das Jahr 2014 hatten rund 6.600 Verlage einen pauschalen Anteil in Höhe von bis zu 50 Prozent der Einnahmen erhalten.

Gegen diese Verteilung klagte der Urheberrechtsexperte und Autor wissenschaftlicher Artikel, Martin Vogel. Eine pauschale Beteiligung von Verlagen an den Urheberrechtseinnahmen sei nach europäischem Recht und den deutschen gesetzlichen Bestimmungen nicht zulässig. Ausschließlich die Autoren seien Inhaber des Urheberrechts, so dass ihnen auch die vollen Einnahmen zustünden. Die Verlage argumentierten dagegen, dass sie die Nutzungsrechte von den Urhebern übertragen bekämen.

Das Oberlandesgericht München hatte 2013 dem Autor Recht gegeben. Die Verwertungsgesellschaft ging gegen das Urteil in Revision. Der BGH urteilte nun, dass eine Verwertungsgesellschaft ihre Urheberrechtseinnahmen "ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche" zahlen darf. Es sei daher unzulässig, dass die VG Wort Verlage pauschal an den Einnahmen beteiligt, ohne dass diese eigene Urheberrechte geltend machen können.

"Die gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Nutzung verlegter Werke stehen kraft Gesetzes originär den Urhebern zu", betonten die Karlsruher Richter. Diese Vergütungsansprüche seien den Verlagen von den Urhebern auch nicht in einem solchen Umfang eingeräumt worden, "der es rechtfertigen könnte, die Hälfte der Einnahmen an die Verlage auszuschütten".

Börsenverein: Schwerer Schlag

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband der Zeitschriftenverleger (VDZ) forderten eine rechtliche Klarstellung, dass Verlage Rechteinhaber sind. Der Börsenverein bezeichnete das Urteil als "schweren Schlag für die Verlagskultur in Deutschland". Ebenso wie der VDZ warnte er vor Verlagsinsolvenzen. Nach Angaben des Börsenvereins drohen den Verlagen Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an die Verwertungsgesellschaften. Der BDZV drohte mit Kürzungen in der journalistischen Aus- und Weiterbildung, in die die Einnahmen des Verbandes aus der VG-Wort-Ausschüttung bislang geflossen seien.

An dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren war nach Angaben des Börsenvereins neben der VG Wort auch der Verlag C.H. Beck beteiligt. Dieser werde die Urteilsbegründung des BGH abwarten und prüfen, ob er gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde einlege, hieß es.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits im November 2015 in einem ähnlichen Rechtsstreit in Belgien die Ausschüttung von Verleger-Anteilen durch Verwertungsgesellschaften infragegestellt. Nationale Vorschriften, nach denen Verlegern ein Teil des den Urhebern zustehenden Ausgleichs gewährt werde, ohne dass die Verleger die Urheber zumindest indirekt wieder beteiligen müssten, seien mit der Urheberrechtslinie der Europäischen Union nicht vereinbar, urteilte der EuGH in Luxemburg. Wegen des Rechtsstreits hatte die VG Wort bereits Ende 2015 aus Verjährungsgründen Verlage zur Rückzahlung der 2012 gezahlten Ausschüttungen aufgefordert.