Berlin (epd) Fast jedem zweiten Bundesbürger droht einer WDR-Untersuchung zufolge wegen des sinkenden Rentenniveaus eine Rente unterhalb der Armutsgrenze. Von Altersarmut bedroht seien 25,1 Millionen von insgesamt 53,7 Millionen künftigen Rentnern, teilte der Sender am Dienstag in Köln mit. SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte unterdessen eine umfassende Rentenreform in Aussicht. Der Sozialverband VdK forderte eine grundlegende Reform der Rentenpolitik.
Gabriel: Rente auf dem jetzigen Niveau stabilisieren
"Das Niveau der gesetzlichen Rente darf nicht weiter sinken, sondern muss auf dem jetzigen Niveau stabilisiert werden", sagte der SPD-Vorsitzende Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochsausgaben) laut Vorabbericht. Mit seinem Vorstoß stellt er sogar eine frühere Rentenreform der rot-grünen Bundesregierung infrage: Das Niveau der gesetzlichen Rente von derzeit knapp 48 Prozent des Durchschnittslohns könnte nach aktueller Gesetzeslage bis 2030 auf 43 Prozent sinken. "Wenn das Rentenniveau weiter sinkt, droht vielen Menschen Altersarmut", warnte der Vizekanzler. Um dies zu verhindern, sei eine "gerechte Anpassung" der Rentenformel notwendig.
Um im Jahr 2030 eine Rente über dem Grundsicherungsniveau zu bekommen, müsste ein Arbeitnehmer nach heutigem Stand 40 Jahre lang ununterbrochen pro Monat mindestens 2.097 Euro brutto verdienen, errechnete der WDR. Diesen Wert erreichten heute allerdings lediglich 38 Prozent. Das bedeute im Umkehrschluss, dass 13,6 Millionen aller abhängig Beschäftigten Gefahr laufen, im Alter mit ihrer gesetzlichen Rente nicht über das Grundsicherungsniveau hinaus zu kommen. Diese Armutsgrenze liegt bei einem Alleinstehenden derzeit bei 840 Euro.
Gabriel bekräftigte zugleich die Pläne der Bundesregierung für eine Lebensleistungsrente, mit der die Koalition Kleinstrenten aufstocken will. Da sich CDU, CSU und SPD aber über Details der Lebensleistungsrente nicht einig sind, beraten die Spitzen der Bundesregierung und der Fraktionen darüber beim Koalitionsausschuss am Mittwoch. Die Linke erklärte dazu, die geplante Reform werde wirkungslos bleiben, da sie jeden zweiten von Altersarmut bedrohten Bürger nicht erreiche.
VdK fordert radikale Korrektur der Rentenpolitik
Auch der VdK, mit 1,7 Millionen Mitgliedern größter Sozialverband Deutschlands, lehnt die Reform ab. "Sie ist kein geeignetes Instrument, um Altersarmut zu bekämpfen", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Notwendig sei eine radikale Korrektur der Rentenpolitik. "Wir brauchen einen deutlichen Kurswechsel", sagte Mascher. Im ersten Schritt müsse das Rentenniveau auf dem aktuellen Stand eingefroren werden.
Ungelöst sei ferner das hohe Armutsrisiko bei Erwerbsminderung. "Die Rentenabschläge von 10,8 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten müssen endlich weg. Krankheit darf keine Armutsfalle sein", erklärte Mascher.
Die Rente könnte ein Wahlkampfthema der SPD zur Bundestagswahl 2017 werden. "Wir werden im nächsten Bundestagswahlkampf für gute Renten und gegen Altersarmut kämpfen", kündigte Parteichef Gabriel an.