Humorforscher: Guter Aprilscherz setzt Fantasie voraus

Humorforscher: Guter Aprilscherz setzt Fantasie voraus
Aprilscherze sind aus Sicht des Tuttlinger Humorforschers Michael Titze wesentlich von Schadenfreude geprägt.
01.04.2016
epd
epd-Gespräch: Ralf Schick (epd)

Tuttlingen (epd) Vor allem gehe es darum, jemanden in seiner Naivität vorzuführen, sagt der Psychoanalytiker Michael Titze dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein guter Aprilscherz aber erfordere Fantasie, Fingerspitzengefühl und ein authentisches "Pokerface", sagte der 68-Jährige, der zu den Pionieren des Therapeutischen Humors in Deutschland gerechnet wird. "Indem wir andere zum Narren halten, tun wir etwas fürs Selbstwertgefühl", erläuterte der Wissenschaftler. So entstehe ein psychologisches Abwärtsgefälle, das den Hereinlegenden klüger und kompetenter erscheinen lasse.

Ins Hintertreffen geraten

Ein gelungener Aprilscherz müsse verblüffen, die Lügengeschichte plausibel erscheinen, sonst werde derjenige, der hereingelegt werden soll, misstrauisch. In früheren Zeiten sei der klassische Aprilscherz viel stärker in der Gesellschaft verwurzelt gewesen, vor allem in den Betrieben. Inzwischen aber gerieten diese Scherze zunehmend ins Hintertreffen, sagte Titze.

Grund dafür seien unter anderem die Medien, die mit Comedyshows das ganze Jahr über "das Bedürfnis nach schadenfreudigen Abwärtsvergleichen" bedienten. Damit gehe eigene Fantasie und Kreativität zunehmend verloren. Hinzu komme, dass es vor allem für Radiosender mittlerweile zum guten Ton gehöre, selbst einen Aprilscherz aufzulegen. "Der professionelle Schabernack schlägt dann häufig hohe Wellen, wie etwa vor einigen Jahren, als die öffentlich-rechtlichen Radiostationen von der angeblichen Einführung eines E-Mail-Portos berichteten - und das den ganzen Tag über", sagte Titze.