19.3., Einsfestival, 20.15 Uhr: "Keine Zeit für Träume"
Hauptfiguren dieses einfühlsam erzählten und außerordentlich gut gespielten Dramas sind die Eltern eines Kindes, das unter der Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS) leidet. Die Kinderpsychologin empfiehlt eine Kombination aus Therapie und Medikamenten. Die Eltern lehnen dies ab, sie wollen Merle selbst helfen, unterschätzen jedoch, welchen Raubbau sie damit an ihren Kräften treiben, zumal sie beide im gemeinsamen Bauingenieurbüro voll eingespannt sind. Prompt haben sie buchstäblich ein paar Baustellen zuviel; am Ende steht die komplette Familie vor dem Kollaps. Die Handlung sowie das Verhalten der beteiligten Personen sind jederzeit glaubwürdig, zumal "Keine Zeit für Träume" kein ADS-Film ist. Das familiäre Gefüge ist zunächst vorbildlich und völlig intakt; das Drehbuch von Regine Bielefeldt nimmt die Störung zum Anlass, um zu beschreiben, was der Ausnahmezustand mit allen Beteiligten anstellt. Das Verhalten der Familienmitglieder ist jederzeit stichhaltig und nachvollziehbar: von der strikten Ablehnung der Psychopharmaka über das plötzliche auffällige Benehmen der vernachlässigten älteren Tochter bis hin zum Zusammenbruch und dem drohenden Zerwürfnis der Eltern. Anneke Kim Sarnau und Harald Schrott spielen die ganze Bandbreite der ehelichen Szenen überzeugend, aber gerade die extremen Momente gegen Ende, wenn jedes Gespräch zwischen Roman und Kathrin in einen Streit mündet, bis sie sich schließlich nur noch entnervt anschreien, sind von erschütternder Glaubwürdigkeit. Das große Kapital des Films aber sind die beiden jungen Darstellerinnen.
20.3., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Nicki wird erwachsen"
Nicki Gerlach wurde vor 27 Jahren mit dem Down-Syndrom geboren. Für ihn ist das überhaupt kein Grund, auf irgendetwas zu verzichten, im Gegenteil: Er wedelt begeistert auf Skiern die Berge herunter, arbeitet leidenschaftlich als Theaterschauspieler und ist gerade wieder frisch verliebt. Aber Nicki wohnt noch zu Hause. Das will er seit Jahren ändern. Er möchte selbständig leben, genauso wie andere Männer in seinem Alter. Seit Nickis Mutter vor einigen Jahren an Krebs starb, hat sein Vater Rainer die alleinige Verantwortung für seinen behinderten Sohn. Nicki ist ein großer Teil seines Lebensinhaltes geworden. Ihn jetzt ziehen zu lassen, fällt ihm sehr schwer. Menschen mit Down-Syndrom können dank entsprechend frühkindlicher Förderung zwar ein weitgehend selbständiges Leben führen, aber sie werden immer auf Hilfe angewiesen sein. Die Kamera begleitet Nicki über den Zeitraum eines Jahres und zeigt, welche Möglichkeiten es für Menschen mit geistiger Behinderung gibt, wenn sie von Zuhause ausziehen wollen. Nicki zu kennen und zu erleben empfinden viele als große Bereicherung. Vor allem Nichtbehinderte äußern immer wieder, dass sie viel von ihm lernen können, denn Nicki verändert den Blick aufs Leben.
20.3., Einsfestival, 20.15 Uhr: "Im Zweifel"
Anderswo wäre diese Geschichte garantiert zum Krimi geworden: Eine evangelische Pastorin wird als Notfallseelsorgerin zu einem Verkehrsunfall gerufen und erfährt, dass ein zweites Fahrzeug verwickelt war, dessen Fahrer das Weite gesucht hat. Die Beschreibung des Wagens passt auf den Kombi ihres Mannes, der sein Auto tatsächlich wegen eines Schadens am Kotflügel in die Werkstatt bringen muss. "Im Zweifel" ist jedoch kein Krimi, selbst wenn die Frage, ob der Gatte tatsächlich in den Unfall verwickelt war, eine Weile lang für zusätzliche Spannung sorgt. Im Vergleich zum eigentlichen Kern der Handlung ist dieser Nervenkitzel jedoch bloß oberflächlich. Die zweifache Grimme-Preisträgerin Dorothee Schön ("Frau Böhm sagt nein", "Der letzte schöne Tag") erzählt eine ganz andere Geschichte, die von dem prägnanten Titel perfekt zusammengefasst wird: Die von Claudia Michelsen mit einer reizvollen Mischung aus flüsternder Fragilität und großer innerer Stärke verkörperte Pastorin stürzt in einen Abgrund des Zweifels. Der Unfall löst eine regelrechte Kettenreaktion aus: Zunächst geht es nur um ihren Mann, dann um ihre Beziehung, schließlich um ihr Selbstverständnis als Ehefrau und Mutter; und am Ende auch um den Glauben.
21.3., 3sat, 23.50 Uhr: "37 Grad: Wenn das Leben aus dem Ruder läuft"
Rund 1,3 Millionen Menschen werden in Deutschland betreut. Gesetzliche Betreuer sind Manager für alle Lebenslagen und Lotsen für Menschen, die sonst im Leben untergehen würden; entsprechend groß sind Verantwortung, Macht und Einfluss. Die Reportage hat Berufsbetreuer im Alltag begleitet, darunter Siegmar M. (58), gesetzlicher Betreuer aus Leidenschaft. Sein Aufgabengebiet: Menschen, die durch Drogen, Alkohol, Altersdemenz, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder tragische Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen werden und allein nicht mehr klar kommen. Sein Alltag besteht aus Telefonaten, Anträgen, Behördengängen, Taschengeldauszahlungen, Arztterminen oder einfach zuhören. Anfangs hatte er noch 20 bis 25 Klienten gleichzeitig, heute sind es bis zu 60. Das größte Glück ist für Siegmar, wenn es jemand schafft und wieder auf eigenen Beinen stehen kann.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
22.3., ZDF, 20.15 Uhr: "ZDFzeit: Wir Nachkriegskinder"
Auch im zweiten Teil entwirft die Dokumentation am Beispiel prominenter Lebensläufe ein persönliches und berührendes Bild der deutschen Nachkriegszeit. Protagonisten sind diesmal Uwe Seeler, Ingrid van Bergen, Marie-Luise Marjan, Vera von Lehndorff, Helmut Markwort, Winfried Glatzeder und Bill Ramsey. Als Sportler, Schauspieler, Models und Journalisten haben sie einen ganz eigenen Blick auf das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Für die einen ist es die beste Zeit ihres Lebens, eine des Aufschwungs, des Optimismus und der Tatkraft. Für die anderen sind es "bleierne Zeiten" voll des spießigen Muffs, in denen sich eine weitgehend unpolitische Bevölkerung vor allem für die Mehrung ihres privaten Wohlstandes interessierte. Es ist auch eine Zeit des Verdrängens und Schweigens zwischen den Generationen. Vom schwierigen Nazi-Erbe wollten die meisten nichts mehr wissen in jenen Jahren. Wer das Trauma nicht loswurde oder darunter litt, galt schnell als Außenseiter in der deutschen Gesellschaft der 50er Jahre.
Annette Koehler und Jobst Knigge zeichnen diese aufregenden Jahre in prominenten Lebensläufen nach, die wenig bekannte Kindheitserlebnisse offenbaren: Uwe Seeler berichtet von seinem Leben zwischen Fußball und bürgerlichem Job, Ingrid van Bergen von den Schrecken der Flucht, vom Neuanfang in der Fremde und ihrem Durchbruch als Schauspielerin. Marie-Luise Marjan erinnert sich an eine Jugend in der Provinz zwischen Tanzstunde und Motorradausflügen mit den Eltern. Für das spätere Model, Vera von Lehndorff, waren es Jahre der Verzweiflung.
23.3., ARD, 20.15 Uhr: "Nur eine Handvoll Leben"
Die schlichte Inhaltsangabe kann der Traurigkeit, die dieser Film hervorruft, nicht mal ansatzweise gerecht werden: In der 22. Woche erfährt die schwangere Lehrerin Annette (Annette Frier), dass ihr Kind den schweren Gendefekt Trisomie 18 hat und die Geburt, wenn überhaupt, nicht lange überleben wird. Die Vernunft, ihr Mann und alle Ärzte raten zum Schwangerschaftsabbruch, doch sie bringt die Abtreibung nicht übers Herz. Natürlich ist "Nur eine Handvoll Leben" ein Melodram; die Geschichte verursacht von Anfang an einen dicken Kloß im Hals. Trotzdem gelingt Henriette Piper das Kunststück, ihrer unendlich traurigen Handlung schöne Seiten abzugewinnen, zumal Regisseurin Franziska Meletzky nie unnötig auf die Tränendrüse drückt. Stattdessen beobachtet der Film, wie die Betroffenen reagieren. Christian Erdmann spielt seinen Part als ruhenden Pol der Patchwork-Familie ganz ausgezeichnet und sehr sympathisch; erstaunlich, dass er nicht schon längst viel öfter Hauptrollen bekommen hat. Annette Frier wiederum hat gemeinsam mit Meletzky einen interessanten Weg gefunden, um zu vermitteln, was die Information mit der Mutter macht: Annette wird völlig aus der Bahn geworfen, versucht jedoch, gerade gegenüber den Kindern die Haltung zu bewahren. Dass sie ihrer Tochter nicht sagt, was mit dem Baby los ist, hat allerdings fatale Folgen: Julia (Aleen Jana Kötter) hadert ohnehin mit der familiären Konstellation der Familie, weshalb sie das Ultraschallfoto verbrennt. Prompt gibt sie sich später die Schuld am Gendefekt des todgeweihten Babys. Ohnehin schiebt sich mehr und mehr das Schicksal der Lebenden in den Vordergrund, weshalb der Film den Tränen zum Trotz eine positive Botschaft hat: weil das gemeinsam erlebte Schicksal die zusammengewürfelte Familie zu einer echten Gemeinschaft zusammenwachsen lässt.
24.3., WDR, 22.40: "Menschen hautnah: Heiraten? Ja! Aber warum?"
Der Film gewährt ungewöhnliche Einblicke in drei Eheleben, erzählt von Hoffnungen und von Zweifeln und fragt nach dem großen Sinn. Offen und ungeschminkt schildern die drei Männer und Frauen die Geschichte ihrer Beziehung - und den Tag ihrer Hochzeit. Marion und Tobias sind eines von drei Paaren, die Julia Horn für ihren Film übers Heiraten begleitet hat. Sie will, er nicht: Tobias glaubt, dass es keinen Unterschied macht, ob sie nur zusammen leben oder heiraten. Sonja und André, das zweite Paar, haben vor fünf Jahren geheiratet; die rosaroten Flitterwolken sind längst weitergezogen. Sie haben zwei kleine Kinder und stecken mittendrin im Ehealltag mit all seinen Herausforderungen. Das Verheiratet-Sein hilft offenbar bei der Bewältigung von Krisen: Wenn es mal schwierig wird, denkt Sonja an die Hochzeit und das Versprechen, für immer zusammen bleiben zu wollen. Das dritte Paar sind Irmtraud und Wolfgang. Geheiratet haben sie vor 50 Jahren, weil sie sich nicht mehr heimlich bei den Kaninchenställen treffen wollten. Dort schmiedeten sie Pläne für die Zukunft - und alles ist wahr geworden: ein Haus, zwei Kinder, gemeinsam alt werden. Das Geheimnis ihres Eheerfolgs: die gegenseitige Toleranz.
25.3.: Filme mit religiösen Themen
An keinem anderen kirchlichen Feiertag werden so viele Filme mit religiösen Themen gezeigt wie an Karfreitag. Der Reigen beginnt um 11.10 Uhr im "Ersten" mit dem Porträt "Sein Name war Franziskus". Der Film erzählt die Geschichte vom verwöhnten Kaufmannssohn, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Assisi ein Leben im Luxus führt. Allgegenwärtiges Leid und Elend sind ihm zunächst fremd. Das ändert sich, als er die Schrecken des Krieges persönlich miterlebt. Im Städtekampf zwischen Perugia und Assisi gerät er in Kriegsgefangenschaft, aus der ihn letztendlich nur der reiche Vater freikaufen kann. Als ihm kurz darauf Bibelverse in die Hände fallen, ändert sich sein Leben. Er entsagt an allen weltlichen Reichtümern, um ein Dasein in gottesfürchtiger Armut seiner Bruderschaft zu leben. Um 15.55 Uhr zeigt die ARD den Zweiteiler "Gottes mächtige Dienerin", die gut gespielte, modern erzählte Geschichte von Pascalina Lehnert, die es im letzten Jahrhundert von der bayerischen Bauerntochter bis zur Ratgeberin von Papst Pius XII. brachte; die vielgeschmähte Christine Neubauer ist eine treffende Besetzung für diese Rolle. Selbst wenn das Drehbuch im zweiten Teil nahe legt, Pascalina habe die römischen Juden während des Zweiten Weltkriegs quasi im Alleingang gerettet: Der Film ist auch über die Länge von 180 Minuten ein fesselndes Werk, das nie im Sentiment ertrinkt und religiösen Kitsch konsequent vermeidet. Um 17.15 zeigt 3sat den Film "Vision", eine Hommage Margarethe von Trottas an die mittelalterliche Mystikerin und Ordensfrau Hildegard von Bingen (Barbara Sukowa), deren Heilkunde noch heute viele Anhänger hat. Künstlerischer Höhepunkt der Religionsfilme ist jedoch "Das 1. Evangelium – Matthäus". Ausgerechnet der Marxist Pier Paolo Pasolinis erzählt mit dem fast dokumentarisch anmutenden bibeltextgetreuen Film die Geschichte Jesu von der Geburt über die Flucht nach Ägypten und sein Wirken als Prophet bis zum Einzug in Jerusalem, zur Kreuzigung und seinem Tod.