Berlin (epd) Die speziellen Bedürfnisse nach Deutschland geflüchteter Kinder werden einer Studie zufolge nur unzureichend berücksichtigt. Besonders die individuellen Belange begleiteter Flüchtlingskinder werden oftmals denen ihrer Familien untergeordnet, wie aus einer am Freitag in Berlin vorgestellten Erhebung des Kinderhilfswerks World Vision Deutschland hervorgeht. Laut dem Vorstandvorsitzenden Christoph Waffenschmidt ist es daher entscheidend, die Flüchtlingskinder selbst zu Wort kommen zu lassen. Schließlich sollten sie als Chance sowohl für die deutsche Gesellschaft, aber auch für ihre Heimatländer gesehen werden.
Schule als zentraler Erfahrungsort
Dazu hat World Vision Deutschland eine qualitative Studie mit Flüchtlingskindern erstellt. Die Erhebung trägt den Titel "Angekommen in Deutschland - wenn geflüchtete Kinder erzählen". Insgesamt wurden neun geflüchtete Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren unter anderem zu ihren Fluchtgründen sowie zu ihren Erwartungen an Deutschland befragt.
Die Kinder stammten aus sechs verschiedenen Ländern, manche hatten nur einen Duldungsstatus, andere bereits eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Unterstützt wurde die Studie von der Goethe-Universität Frankfurt, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Hoffnungsträger-Stiftung und der Stiftung "Children for Tomorrow".
Der Studie zufolge stellen besonders die sozialen Netzwerke der Kinder, also sowohl zu ihren Familien als auch zu Freunden, ein wichtiges Kriterium für ihr Wohlergehen da. Zudem hätten viele Kinder die Schule als einen zentralen Erfahrungsort in ihrem Leben dargestellt. Dabei hätten besonders die Themen Bildung und Sprache eine wichtige Rolle gespielt. Generell wiesen die Kinder laut Studie einen sehr großen Willen zum Lernen auf.
Auch die Aspekte Sicherheit und Schutz sind der Erhebung zufolge entscheidend für das subjektive Wohlbefinden und eine gute Entwicklung der Mädchen und Jungen. Einige der Kinder hätten sehr eindrückliche und zum Teil auch traumatische Erlebnisse geschildert, sagte Studienleiterin Katharina Gerarts. Entsprechend müssten den Kindern von Beginn an psychotherapeutische Beratungsangebote zur Verfügung gestellt werden.
Aktive Familienzusammenführung
Laut Sabine Andresen, Mitverfasserin der Studie, stehen in der öffentlichen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingskindern bisher die Themen Traumatisierung und Sprache als Mittel zur Integration im Fokus. Diese Dimensionen seien zwar wichtig, aber nicht ausreichend, um klären zu können, wie die Kinder an der Gesellschaft teilhaben könnten. Generell gebe es bislang keine Daten zu den Erfahrungen der Flüchtlingskinder, kritisierte die Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität. Dies müsse sich ändern.
Auf Grundlage der Studienergebnisse leitete World Vision Deutschland politische Handlungsempfehlungen ab: Demnach müssten Familienzusammenführungen unterstützt und aktiv gefördert werden. Auch die Standards in den Flüchtlingsunterkünften sollten kindgerecht gestaltet werden. Dazu bedürfe es etwa sicherer Wohn-, Spiel- und Aufenthaltsräume. Zudem müssten die Haupt- und Ehrenamtlichen speziell für die Belange der Kinder geschult werden.