12.3., Einsfestival, 20.15 Uhr: "Aus der Haut"
Der Film erzählt die Geschichte des 17jährigen Schülers Milan (Merlin Rose), der seine Eltern seit geraumer Zeit auf Trab hält, weil er immer wieder Mist baut. Dabei ist Milan eigentlich ein unauffälliger junger Mann. Er hat eine Freundin, er macht Musik, er mag seine Eltern; aber eines Tages steigt er ins Auto seines Vaters und baut einen Unfall, mit 1,7 Promille im Blut. Susan und Gustav Schultz (Claudia Michelsen, Johann von Bülow) sind fassungslos, erst recht, als Gustav in seinem schrottreifen Wagen einen Abschiedsbrief findet. Was sie nicht wissen: Am Abend zuvor hat sich Milan dazu hinreißen lassen, seinen besten Freund zu küssen, und der hat ihm ziemlich unsanft klar gemacht, was er davon hält. Natürlich ist die erwachende Homosexualität des Jungen das treibende Motiv des Films, doch im Grunde handelt er von einem ganz gewöhnlichen Jugendlichen, der in einer Hinsicht anders ist als die anderen; und das gilt schließlich für praktisch alle Jungen und Mädchen in der Pubertät, die sich in den seltensten Fällen rundum wohl in ihrer Haut fühlen. Milan nimmt zwar die zentrale Rolle ein, doch seine Eltern sind mehr als bloß Nebenfiguren: Zwischen Susann und Gustav entwickelt sich eine veritable Ehekrise. Ein mutiger Film, der unter die Haut geht und schon deshalb aus dem Rahmen fällt, weil er sich im Gegensatz zu den seltenen sonstigen Fernsehfilmen zu diesem Thema traut, Homosexualität auch zu zeigen.
14.3., 3sat, 0.00 Uhr: "37 Grad"
Es war ein Sturz ins Bodenlose. Ihr Scheitern war allumfassend, schmerzhaft und öffentlich: Jan Ullrich, Spitzensportler, und Paulus Neef, Ausnahmeunternehmer, haben alles verloren, wofür sie gekämpft haben. Anerkennung, Erfolg, Geld, ihre Glaubwürdigkeit. Wie lebt man damit? Ullrich, der Junge aus einfachen Verhältnissen, liebte es, mit dem zu glänzen, was ihm am allermeisten Spaß machte - Radfahren. Er genoss die Bewunderung seiner Fans, die Möglichkeiten, die sich ihm boten. Sein historischer Sieg bei der Tour de France 1997 machte ihn über Nacht zum Star. Zugleich stellte dieser sportliche Meilenstein einen Erfolg dar, an den er bis zu seinem unrühmlichen Karriereende immer wieder anzuknüpfen versuchte. Aber es gab auch viele Negativschlagzeilen: Verletzungen, Gewichtsprobleme, Trainingstiefs, Alkoholfahrten, Aufputschpillen, verpatzte Wettkämpfe. Auch Pixelpark-Gründer Paulus Neef konnte die Menschen begeistern und für seine unternehmerischen Pläne gewinnen. Doch emotional blieb er davon merkwürdig unberührt. Er fühlte sich wie im goldenen Käfig; Beziehungen scheiterten, seine Ehe ging in die Brüche. Heute sind beide der Meinung, sie seien für ihre Ziele zu weit gegangen. Ihre Karrieren endeten mit kapitalen Abstürzen: Ullrich wurde 2006 des Dopings beschuldigt und gesperrt, Neef wurde 2002 nach dem Börsencrash von Pixelpark und vermeintlicher Veruntreuung aus seiner eigenen Firma geworfen.
15.3., ARD, 22.45 Uhr: "Der letzte schöne Tag"
Es ist eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft: Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen das Leben; die Zahl ist weit mehr als doppelt so groß wie die der Verkehrstoten. Aber das Thema wird gemieden. Privat spricht niemand gern drüber, weil jede Selbsttötung das Dilemma der Hinterbliebenen verdoppelt, denn sie stellt auch das Leben vor dem Tod in Frage. Zudem schwingt in vielen Beileidsbekundungen eine Frage mit, die sich die Angehörigen auch selbst immer und immer wieder stellen: Tragen sie eine Mitschuld am Suizid? Hätten sie ihn verhindern können oder gar müssen? Und auch öffentlich sind Selbstmorde selten Thema, weil jede Berichterstattung erwiesenermaßen Folgetaten nach sich zieht. Umso mehr muss der Mut des WDR zu diesem Film bewundert werden. Er erzählt die Geschichte des Lebens nach dem Tode, er beschreibt, wie die Hinterbliebenen auf jeweils ganz unterschiedliche Weise mit diesem Schock umgehen. Warum Anästhesistin Sybille keinen anderen Ausweg sah, als sich zu vergiften, bleibt offen. Sie hatte Depressionen; das muss genügen. Deshalb beginnt der Film mit ihrem Abschied: Kurze Anrufe bei Mann und Kindern sollen garantieren, dass ihr niemand in den Arm fallen kann. Der Gatte wird tags drauf durch eine zeitverzögerte E-Mail über den Fundort informiert. "Der letzte schöne Tag" ist naturgemäß ein Schauspielerfilm. Jede übertriebene Emotion würde die Erzählung ins Melodram treiben und verkitschen. Autorin Dorothee Schön, Regisseur Johannes Fabrick und Wotan Wilke Möhring sind für ihre Leistungen mit dem Grimme-Preis geehrt worden.
15.3., ZDF, 20.15 Uhr: "Wir Nachkriegskinder"
Am Beispiel prominenter Lebensläufe entwirft die zweiteilige Dokumentation, die das ZDF im Umfeld des Dreiteilers "Ku’damm 56" zeigt, ein persönliches und berührendes Bild der deutschen Nachkriegszeit. Elmar und Fritz Wepper, Peter Sodann, Michael Degen, Wibke Bruhns und Eva-Maria Hagen gehören einer Generation an, die unser Land bis heute prägt. Im Krieg vaterlos geworden, mussten sie von klein auf lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich selbst um ihr Dasein zu kümmern. Sie haben an der Seite ihrer Mütter Notzeiten, Bombennächte und Vertreibung überstanden, die Befreiung von der NS-Diktatur erlebt. Und doch war die Epoche nach 1945 für die meisten auch einfach eine aufbauende Zeit, geprägt von Zuversicht, Improvisationsgeist und der Überwindung überholter Moralvorstellungen. Peter Hartl und Peter Adler zeichnen diese aufregenden Jahre in prominenten Lebensläufen nach, die wenig bekannte Kindheitserlebnisse offenbaren; so berichten die Schauspieler Peter Sodann sowie Fritz und Elmar Wepper, wie sie ohne ihre im Krieg vermissten Väter heranwuchsen. Eva-Maria Hagen schildert, wie sie als Flüchtlingskind mit ihrem Bruder im Wald und auf Feldern Essbares zusammenklaute. Der Bühnen- und Filmdarsteller Michael Degen, der den Massenmord an den Juden mit seiner Mutter nur im Versteck überleben konnte, musste sich im Trümmerland der Täter eine neue Existenz aufbauen. Wibke Bruhns, erste Nachrichtenfrau des deutschen Fernsehens, deren Vater den Widerstand gegen Hitler mit dem Leben bezahlte, wurde noch in den 50er Jahren als "Verräterkind" gebrandmarkt.
15.3., ZDF, 22.15: "37 Grad: Wenn das Leben aus dem Ruder läuft"
Rund 1,3 Millionen Menschen werden in Deutschland betreut. Gesetzliche Betreuer sind Manager für alle Lebenslagen und Lotsen für Menschen, die sonst im Leben untergehen würden; entsprechend groß sind Verantwortung, Macht und Einfluss. Die Reportage hat Berufsbetreuer im Alltag begleitet, darunter Siegmar M. (58), gesetzlicher Betreuer aus Leidenschaft. Sein Aufgabengebiet: Menschen, die durch Drogen, Alkohol, Altersdemenz, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder tragische Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen werden und allein nicht mehr klar kommen. Sein Alltag besteht aus Telefonaten, Anträgen, Behördengängen, Taschengeldauszahlungen, Arztterminen oder einfach zuhören. Anfangs hatte er noch 20 bis 25 Klienten gleichzeitig, heute sind es bis zu 60. Das größte Glück ist für Siegmar, wenn es jemand schafft und wieder auf eigenen Beinen stehen kann.
16.3., ARD, 20.15 Uhr: "Keine Zeit für Träume"
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Hauptfiguren dieses einfühlsam erzählten und außerordentlich gut gespielten Dramas sind die Eltern eines Kindes, das unter der Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS) leidet. Die Kinderpsychologin empfiehlt eine Kombination aus Therapie und Medikamenten. Die Eltern lehnen dies ab, sie wollen Merle selbst helfen, unterschätzen jedoch, welchen Raubbau sie damit an ihren Kräften treiben, zumal sie beide im gemeinsamen Bauingenieurbüro voll eingespannt sind. Prompt haben sie buchstäblich ein paar Baustellen zuviel; am Ende steht die komplette Familie vor dem Kollaps. Die Handlung sowie das Verhalten der beteiligten Personen sind jederzeit glaubwürdig, zumal "Keine Zeit für Träume" kein ADS-Film ist. Das familiäre Gefüge ist zunächst vorbildlich und völlig intakt; das Drehbuch von Regine Bielefeldt nimmt die Störung zum Anlass, um zu beschreiben, was der Ausnahmezustand mit allen Beteiligten anstellt. Das Verhalten der Familienmitglieder ist jederzeit stichhaltig und nachvollziehbar: von der strikten Ablehnung der Psychopharmaka über das plötzliche auffällige Benehmen der vernachlässigten älteren Tochter bis hin zum Zusammenbruch und dem drohenden Zerwürfnis der Eltern. Anneke Kim Sarnau und Harald Schrott spielen die ganze Bandbreite der ehelichen Szenen überzeugend, aber gerade die extremen Momente gegen Ende, wenn jedes Gespräch zwischen Roman und Kathrin in einen Streit mündet, bis sie sich schließlich nur noch entnervt anschreien, sind von erschütternder Glaubwürdigkeit. Das große Kapital des Films aber sind die beiden jungen Darstellerinnen.
18.3., ARD, 20.15 Uhr: "Frau Pfarrer & Herr Priester"
Mit "Frau Pfarrer & Herr Priester" präsentiert das Autorenpaar Sylvia Leuker und Benjamin Röskau zwei Figuren, die großes Reihenpotenzial haben: Sie ist evangelisch, er katholisch. Das Drehbuch übertreibt die religiösen Feinheiten zwar nicht, nutzt die Konstellation aber zu einigen Auseinandersetzungen über unterschiedliche Auffassungen in religiösen Fragen, zumal Seidl Jesuit ist und somit zur "Speerspitze des Glaubens" gehört. Ähnlich wie in romantischen Komödien verbindet die alleinerziehende Mutter Rieke Schmidt (Birge Schade) und den zwangsläufig alleinstehenden Toni Seidl (Martin Gruber) zunächst eine herzliche Abneigung, aber schließlich kämpfen sie gemeinsam für die gleiche Sache. Natürlich sind dem Priester, was die gegenseitige Zuneigung angeht, gewissermaßen die Hände gebunden, aber das schließt ja nicht aus, dass er in einer möglichen Fortsetzung in Konflikt mit dem Zölibat gerät. Zugespitzt wird der Kontrast durch einen sozialen Faktor. Die Geschichte spielt in München-Bogenhausen; die Pfarrerin repräsentiert den eher prekären und überwiegend evangelischen Teil der Bevölkerung, der Pastor die wohlhabenden Katholiken. Im Rahmen der Ökumene unterstützt die katholische Pfarrgemeinde ein Jugendzentrum, das vor allem von den evangelischen Kindern genutzt wird. Zur Überraschung der Pfarrerin setzt sich der katholische Kollege für den Erhalt der Freizeiteinrichtung ein, die für viele Kinder ein zweites Zuhause geworden ist. Und dann bekommen sie noch Gelegenheit zu einer weiteren gemeinsamen Initiative: Riekes Patentochter Jessica bricht aus heiterem Himmel zusammen. Im Krankenhaus stellt sich raus, dass sie Leukämie hat. Als die Chemotherapie scheitert, kann ihr nur noch eine teure Stammzellentherapie helfen. Weil es sich um eine neue Methode handelt, die noch nicht ausgereift ist, weigert sich die Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen. Die Ablehnung kommt vom Direktor persönlich, und das ist niemand anders als der bigotte Vorsitzende des katholischen Kirchenrats, der auch das Jugendzentrum abreißen lassen will.