Pro Asyl warnt vor "Turbo-Asylverfahren"

Pro Asyl warnt vor "Turbo-Asylverfahren"
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl warnt vor sogenannten "Turbo-Verfahren" zur Abarbeitung des Asylantragsstaus. Kern des Asylrechts sei die individuelle Prüfung.
11.03.2016
epd
Holger Spierig (epd-Gespräch)

Frankfurt a.M., Gütersloh. (epd) Zwar seien schnellere Asylverfahren wünschenswert, sagte der stellvertretende Geschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jede Art von beschleunigten Verfahren müsse sich aber der Frage stellen, wie Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten sei. Hintergrund ist eine am Freitag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung, die das reformierte Asylverfahren der Schweiz mit schnelleren Verfahren in Teilen auch für Deutschland empfiehlt.

Individuelle Prüfung macht Asylverfahren aus

Schon jetzt sei hierzulande zu beobachten, wie das Vorgehen nach Herkunftsland und Quote den Blick auf die individuelle Prüfung der Fluchtgründe verstelle, warnte Mesovic. Genau das mache aber den Kern des Asylrechts aus. Bei der Entscheidung, wer in ein Schnellverfahren gehöre, gebe es zudem Raum für politische Interessen und Manipulationen. Dasselbe gelte für die Schutzquote zu bestimmten Ländern. "Zurzeit erleben wir, wie die Politik wegen der Priorisierung etwa der Balkan-Asylverfahren die Verfahrensdauern für alle anderen Personengruppen anwachsen lässt - auf mehr als eineinhalb Jahre", sagte Mesovic.

Im Fall sicherer Herkunftsstaaten müsse der Antragsteller darlegen können, dass in seinem Fall die generelle Einschätzung der Sicherheit nicht zutreffe, erläuterte Mesovic. Das sei bei einem Schnellverfahren nur schwer möglich. Anstelle von "Turbo-Verfahren" innerhalb von 48 Stunden sei "eine vernünftige Gesamtorganisation inklusive personeller Ausstattung" nötig. Der von der Regierungskoalition angestrebte Zeithorizont von drei Monaten zur Erledigung der Asylverfahren wäre nach Einschätzung von Pro Asyl ausreichend.

Schnellere Bearbeitung

Dagegen begrüßte Pro Asyl den staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Asylbewerber in der Schweiz. Zuständig dafür sei die Schweizerische Flüchtlingshilfe, ein Zusammenschluss unabhängiger Hilfswerke. Von solchen Zuständen sei Deutschland weit entfernt. "Hier herrscht institutionalisiertes Misstrauen in die unabhängige Beratungstätigkeit", monierte Mesovic.

Kernelemente des Schweizer Verfahrens sind laut Studie der Bertelsmann Stiftung eine umgehende Einteilung nach Prioritäten und eine schnellere Bearbeitung der Asylgesuche. So würden eindeutige Fälle schnell positiv oder negativ entschieden. In einer zweiten Kategorie würden komplexere Verfahren erfasst, bei denen weitere Nachforschungen nötig sind. Diese Anträge werden der Studie zufolge innerhalb eines Jahres entschieden. Durch staatlich finanzierte Rechtsbeistände werde in der Schweiz die Qualität der Verfahren verbessert, heißt es.