Das "Dritte" des MDR gehört zu den altbackensten Programmen im bunten Reigen der ARD, aber die beiden "Tatort"-Filme mit Christian Ulmen und Nora Tschirner, "Die fette Hoppe" und "Der irre Iwan", waren komödiantische Höhepunkte in der langen Geschichte der Reihe. Diesen Maßstab hat der MDR für den ersten Fall seines neuen Teams aus Dresden offenbar als Ansporn genommen: "Auf einen Schlag" ist zunächst derart komisch, dass der Film fast wie eine Parodie wirkt. Eine Leiche gibt es trotzdem: Kurz vor Beginn eines Volksmusikfestes am Zwinger ist der männliche Teil des erfolgreichen Duos Toni & Tina erschlagen worden, weshalb die beiden attraktiven Oberkommissarinnen Sieland (Alwara Höfels) und Gorniak (Karin Hanczewski) tief ins Milieu eintauchen müssen. Der Auftakt, als eine Sängerin zwischen diversen Schnapsleichen einen echten Toten findet, ist daher typisch für den Film
Das Drehbuch stammt von Ralf Husmann (Mitarbeit: Mika Kallwass). Der vielfach ausgezeichnete Schöpfer von "Stromberg" und "Dr. Psycho" ist höchstwahrscheinlich kein Freund von volkstümlicher Musik, was seine Geschichte durchaus vermittelt. Auch wenn der Film darauf verzichtet, die Zuschauer der Sendungen mit Florian Silbereisen zu brüskieren: Der MDR, in dessen "Drittem" es nach Kräften tümelt, beweist mit dem Film nicht nur Selbstironie, sondern auch Mut, denn die grassierende Heimatliebe gerade im Großraum Dresden wird schon allein durch die eigens für den Film komponierten und getexteten Schlager durch den Kakao gezogen. Die Dialoge sind ohnehin von einer Herzenslust, die großen Spaß macht.
Seitenhiebe gegen die Musikbranche mit ihren zynischen Managern
Natürlich gehorcht "Auf einen Schlag" auch der üblichen Krimidramaturgie mit den verschiedenen Verdächtigen, aber viel interessanter als die Auflösung des Falls sind seine Verpackung sowie die Seitenhiebe gegen die Musikbranche mit ihren zynischen Managern (Andreas Guenther, Hilmar Eichhorn), die sich gern auch mal in anrüchige Geschäfte verwickeln lassen. Noch wichtiger ist allerdings die Einführung des ersten rein weiblich besetzten "Tatort"-Teams. Karin Hanczewski und Alwara Höfels bilden ein interessantes Duo. Husmann hat offensichtlich Wert darauf gelegt, sich zwei ganz normale Frauenfiguren auszudenken: Die eine ist alleinerziehend (mit Sohn), die andere alleinverdienend (mit brotlosem Fotografen); beide haben also ein Privatleben nach Dienstschluss und vor allem keine Macken. Dritte im Bunde ist eine junge Polizeianwärterin (Jella Haase), die in ihrem Eifer immer wieder übers Ziel hinausschießt. Star zumindest der Premiere ist jedoch der großartige Martin Brambach als Chef des Trios: Peter Michael Schnabel ist ein Kommissariatsleiter alter Schule. In seinem Fall bedeutet dies, dass er unübersehbar jenen Zeiten nachtrauert, als Frauen noch keine Männer sein wollten. Seine Chauvi-Scherze sind ebenso grenzwertig wie seine sonstigen Witze; eine Rolle wie geschaffen für Brambach, dem es wieder mal gelingt, eine eigentlich geschmacklose Figur mit stiller Sympathie zu verkörpern. Schnabel ist übrigens großer Volksmusikverehrer und entsprechend entsetzt über die Entlarvungen der Branche, die sich im Verlauf der Ermittlungen ergeben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gerade gemessen an Husmanns famosen Pointen ist Richard Hubers Inszenierung fast konventionell, aber vielleicht wäre es des Guten zuviel gewesen, wenn auch die Regie ein Feuerwerk abgebrannt hätte. Dafür kommt hier wieder mal Hubers große Stärke in der Führung der Darsteller zum Tragen, die er schon bei Serien wie "Dr. Psycho" (Grimme-Preis), "Danni Lowinski" und "Club der roten Bänder" bewiesen hat. Ein kleines Juwel sind die Auftritte von Michael Specht als völlig heruntergekommenem, aber glühendem Volksmusikfan. Und weil man es sich angesichts der Slapstickeinlagen von Brambach und der Witze über die Volksmusiker so schön in der Komödie gemütlich gemacht hat, wirkt ein weiterer Mord, mit dem Husmann und Huber völlig überraschend aufwarten, umso schockierender.