27.2., ARD, 16.30 Uhr: „Deutschland-Reportage: Kinder haften für ihre Eltern“
Von seiner Mutter wurde er geschlagen und vernachlässigt. Die ersten Lebensjahre von Martin Schmidt waren die Hölle. Als das Jugendamt Oldenburg von den katastrophalen Zuständen in der Familie erfuhr, handelte es schnell. Der damals fünfjährige Martin kam in eine Pflegefamilie. Fast 40 Jahre lang hat er nichts mehr von seiner leiblichen Mutter gehört, bis er die Aufforderung des Sozialamtes Oldenburg bekam, für seine inzwischen pflegebedürftige Mutter Unterhalt zu zahlen. Seit Jahren fahren norddeutsche Kommunen einen harten Kurs beim Eintreiben von Elternunterhalt. Dem Vorbild aus dem Norden folgend, ziehen immer mehr Sozialämter die Daumenschrauben an, wenn es darum geht, von Kindern Unterhalt für die pflegebedürftigen Eltern zu verlangen. Der rüde Ton und die Vorgehensweise einzelner Sozialämter sorgen für viel böses Blut. Der Film von Astrid Spiegelberg zeigt, wie viel emotionaler und gesellschaftlicher Sprengstoff sich entlädt, wenn Kinder für ihre Eltern haften.
28.2., ARD, 17.30 Uhr: „Gott und die Welt: Die 100.000-Euro-Babies“
Streng genommen hat die siebenjährige Greta zwei Väter und zwei Mütter: die beiden Deutschen Jens und Andreas, eine Leihmutter und eine Eizellspenderin aus den USA. Das schwule Paar Jens und Andreas war unter den ersten Deutschen, die auf diesem Weg ein Kind bekamen und es aus den USA nach Deutschland brachten. Weil Leihmutterschaft und Eizellspende bei uns verboten sind, flogen Jens und Andreas im Sommer 2013 wieder in die USA. Sie wollten ein Geschwisterkind für Greta. Leiblicher Vater soll dieses Mal Andreas sein, weil Jens schon Gretas Vater ist. Rund 100.000 Euro kostet das Verfahren, inklusive Gebühren für die Reproduktionsklinik, die Agentur, die Eispenderin, die Leihmutter und vieles mehr. Die Autoren Johannes Honsell und Matthias Gugler haben Jens und Andreas seit Gretas erstem Geburtstag und auf ihrem Weg zum zweiten Kind begleitet, von der Zeugung in einem Reagenzglas bis in den Kreissaal. Sie gewähren Einblick in die Welt von Frauen, die für Geld anderen Menschen ihren Kinderwunsch erfüllen.
29.2., ZDF, 23.45 Uhr: „Der Jungfrauenwahn“
Güner Yasemin Balci geht in ihrem Film der Frage nach, warum es für junge Muslime oft schwer ist, frei zu sein: weil sich ihre eigenen Wünsche nicht mit der Herkunftskultur der Eltern vereinbaren lassen; und weil das Gebot der Jungfräulichkeit nach wie vor große Bedeutung hat. Die Protagonisten des Films - der Psychologe Ahmad Mansour, die Anwältin Seyran Ate?, die Femenaktivistin Zana Ramadani und die Studentin Arife Yalniz - geben sehr persönliche Antworten. Sie alle mussten kämpfen, um selbstbestimmt leben zu können. Sie mussten mit ihren Familien und Freunden brechen, weil sie sich nicht an Moralvorstellungen halten wollten, die Sexualität unter Strafe stellen und noch heute in vielen Moscheen gepredigt werden. Vieles von dem, was heute vor allem als Problem von muslimischen Migranten verhandelt wird, etwa die Unterdrückung von Frauen, überhöhter Machismo und Gewaltbereitschaft bei Männern, Zwangsehen und Gewalt im Namen der Ehre, hat seinen Ursprung beim zentralen Thema der gesamten muslimischen Welt: die Verteufelung der weiblichen Sexualität. „Wenn der Jungfrauenwahn ein Ende hätte“, sagt Seyran Ates, „dann wäre der Wahnsinn vorbei.“
1.3., ZDF, 22.15 Uhr: „37 Grad: Du tickst genau wie ich“
Zwei von drei Frauen sagen, sie hätten eine beste Freundin. Iris Pollatschek beschreibt in ihrem Film anhand von vier Frauen Anfang 40 und um die 50, was eine Freundschaft unter Frauen so besonders und beständig macht; und was geschieht, wenn die Frauen zusammen durch eine Krise müssen. Claudia und Sanne haben alles gemeinsam erlebt: erste Liebe, Heirat, Kinder kriegen, berufliche Krisen; und dann erkrankte Claudia an Krebs. Auch die Freundschaft des anderen Paares, Christine und Mara, wurde auf die Probe gestellt, als Christine ihrer Freundin gestand, dass sie ein Verhältnis mit deren Partner hatte; es folgten 20 Jahre Funkstille, bis sich die beiden Frauen über ein Internetportal wiederfanden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
1.3., 3sat, 20.15 Uhr: „Und alle haben geschwiegen“
„Schläge im Namen des Herrn“ heißt das Sachbuch von Peter Wensierski, das die Grundlagen der Recherchen von Drehbuchautorin Andrea Stoll bildete. Der „Spiegel“-Autor erzählt in seinem Bestseller die „verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik“. 3.000 überwiegend kirchliche Heime mit insgesamt 200.000 Plätzen gab es in den Sechzigerjahren in Westdeutschland. Während sich die Gesellschaft durch die Einführung der Anti-Baby-Pille und die sexuelle Revolution von Grund auf veränderte, bewahrten die Heimleiter ihre Zöglinge mit strenger Hand vor „sittlicher Verwahrlosung“. Die 16jährige Luisa scheint besonders gefährdet, schließlich kommt sie aus Berlin, und es ist den Diakonissinnen keineswegs entgangen, dass sie dem gleichaltrigen Paul ein schüchternes Lächeln zugeworfen hat. Zur Nachtruhe werden ihre Hände deshalb links und rechts ans Bett gefesselt: „weil ihr die Unzucht aus den Augen rausschaut.“ Die Freiheitsberaubung ist allerdings völlig harmlos im Vergleich zu dem Schicksal, das Luisa blüht, als sie beim Wischen des Flurs von einer Schwester schikaniert und geschlagen wird; und dann zurückschlägt. Es sind unerhörte Missstände, die der Film anhand seiner erfundenen Hauptfigur schildert; aber die Ereignisse sind authentisch. Der Titel „Und alle haben geschwiegen“ bezieht sich nicht zuletzt auf die Ohnmacht der einstigen Heimkinder, die völlig auf sich allein gestellt mit ihrem Schicksal klarkommen mussten.
3.3., WDR, 22.40 Uhr: „Menschen hautnah“
An einem Freitag im November wirft sich Viktor vor einen Zug. Der Lokführer hat schon ein Tuch über den vermeintlich Toten gelegt, da entdeckt ein Polizist, dass Viktor sich noch bewegt, und ruft den Notarzt. Als Viktor im Krankenhaus erwacht und feststellt, dass er beide Beine verloren hat, ist seine Todessehnsucht stärker als zuvor. Der Film erzählt, wie es dazu kam: In der Oberstufe am Gymnasium wurde Viktor krank, nicht körperlich, aber in seinem Kopf machte sich ein Nebel breit, alles wurde immer dunkler. Es fiel ihm schwer, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Viktor litt an einer unerkannten Depression, die beinahe zum Suizid geführt hätte. Sein zweiter Lebensretter war ein holländischer Sterbehelfer, der zu seinem Freund wurde. Im Zuge einer Therapie stellt sich raus, dass Viktor an der Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet, einer depressiven Erkrankung, die dafür sorgt, dass er keine Beziehung führen kann, dass er Aggressionen gegen sich selbst entwickelt. Heute kann Viktor Freundschaften pflegen und ein fast normales Leben führe.
3.3., WDR, 23.35 Uhr: „Tod auf den Gleisen - Trauma eines Lokführers“
Jedes Jahr werfen sich in Deutschland mehr als tausend Menschen vor einen Zug. Jeder Lokführer muss damit rechnen, dass ihm dies während seines Berufslebens mindestens zweimal widerfährt. Diese Art des Suizids unterscheidet sich jedoch in einem Punkt von anderen Methoden, sich umzubringen: Der Selbstmörder ist Opfer und Täter zugleich. Er schadet mit seiner Tat mindestens einem Unbeteiligten schwer: dem Lokführer, der dieser Situation hilflos ausgeliefert ist. Er muss mit der Last dieser traumatischen Erfahrung leben, an der oft nicht nur er, sondern auch seine Familie zu zerbrechen droht. Und viele geben ihren Beruf auf. Die Autorin begleitet einen Lokführer bei der Bewältigung seines Schicksals und zeigt, wie mühsam der Weg zurück in die Normalität ist. Wie verarbeitet der Lokführer dieses traumatische Ereignis für sich? Welche Konsequenzen hat dies für seine Familie? Welche Unterstützung erhält er von seinem Arbeitgeber? Und kann er überhaupt je wieder fahren?