Der hessische Generalstaatsanwalt, maßgeblicher Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse, hat sich vor gut fünfzig Jahren große Verdienste erworben, weil er gegen erbitterte Widerstände aus den eigenen Reihen hochrangigen Nazigrößen nachstellte, die in der jungen Republik längst wieder an den Hebeln der Macht saßen. In "Im Labyrinth des Schweigens" war Bauer nur eine Nebenfigur, aber mit "Der Staat gegen Fritz Bauer", ebenfalls ein Kinofilm, hat Lars Kraume dem bärbeißigen Schwaben im letzten Jahr ein sehenswertes Denkmal gesetzt; dem Hauptdarsteller Burghart Klaußner bescherte der einst selbst von den Nazis verfolgte jüdische Jurist eine seiner markantesten Filmrollen.
Und nun also "Die Akte General" von Alex Buresch (Buch) und Stephan Wagner (Regie). Der Film ist nicht minder sehenswert und eindrucksvoll; außerdem gelingt es Grimme-Preisträger Wagner ("Mord in Eberswalde") geradezu unangenehm gut, die Verdrängungsatmosphäre der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre zu rekonstruieren, die schließlich zu den Ereignissen des Jahres 1968 führte. Das Drama wirkt jedoch wie ein Remake von "Der Staat gegen Fritz Bauer", zumal sich Buresch ebenso wie Kraume auf die Jagd nach Adolf Eichmann konzentriert: Weil die deutschen Ermittlungsbehörden Bauers Arbeit nicht unterstützen, wendet er sich an den israelischen Geheimdienst Mossad und ersucht sogar um Amtshilfe in Ostberlin. Nun lassen sich Parallelen bei den historischen Fakten naturgemäß nicht vermeiden; verblüffend ist jedoch, dass auch Buresch einen fiktiven Staatsanwalt ins Spiel bringt, den Bauer zu seinem engsten Vertrauten macht. Allerdings geht der Autor noch einen Schritt weiter als Kraume: Joachim Hell (David Kross) steht auf der Lohnliste des Bundesnachrichtendienstes, die titelgebende "Akte General" ist das Dossier, das er über Bauer anlegt.
Politische Lage wird deutlich skizziert
All das kann natürlich jedem egal sein, der "Der Staat gegen Fritz Bauer" nicht gesehen hat, zumal Buresch und Wagner viel historischen Hintergrund ins Spiel bringen und den damaligen politischen Zustand des Landes noch deutlicher skizzieren: Die Angst vor dem Kommunismus und einem scheinbar unvermeidlichen Linksruck unter einem Bundeskanzler Willy Brandt war derart groß, dass selbst der von den Nazis kaltgestellte Konrad Adenauer (Dieter Schaad) in kauf nahm, von früheren NS-Größen umgeben zu sein. Seine Spannung bezieht der Film nicht zuletzt aus der Frage, ob die Aussagen Eichmanns vor dem Gericht in Israel Adenauers engsten Mitarbeiter Globke (Bernhard Schütz), einst Verwaltungsjurist im nationalsozialistischen Innenministerium, zu Fall bringen könnten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gespielt ist das ohnehin vorzüglich. Ulrich Noethen bleibt Klaußner nichts schuldig, er versieht den unbeugsamen Streiter mit viel Härte nach innen wie nach außen, sodass die Sympathie für diesen Mann allein durch Empathie entsteht. Aus heutiger Sicht war Bauer ein Held, aber Wagner und Buresch zeichnen ihn als tragische Figur, die sich mit ihrer unversöhnlichen Haltung viele Feinde schafft. David Kross passt mit seinem bubenhaften Gesicht ebenfalls eine treffende Wahl, weil sich der anfangs naive junge Jurist im Verlauf der Handlung zum Mitstreiter Bauers wandelt. Die weiteren Rollen sind mit Uwe Bohm, Ronald Kukulies und Godehard Giese gleichfalls prägnant besetzt. Über allem aber steht Noethen, der restlos in der Verkörperung des sozialdemokratischen Generalstaatsanwalts aufgeht.
Kurze Szenen genügen, um zu zeigen, wie fruchtbar der Nazi-Schoß damals noch war: Bauer erhält nicht nur Drohungen, meist per Post, manchmal telefonisch, er wird zudem auch körperlich angegriffen. Dass er sich zu attraktiven jungen Männern hingezogen fühlt, inszeniert Wagner angenehm beiläufig; für seine Gegenspieler ist dies selbstredend ein gefundenes Fressen. Bemerkenswert sind auch die Ausstattung (Wolfgang Arens) und Bildgestaltung. Immer wieder sorgt Wagners bevorzugter Kameramann Thomas Benesch für ein ungewöhnliches Licht; eine Strandszene wirkt wie eine lebendig gewordene vergilbte Ansichtskarte jener Jahre. Irritierend sind allerdings viele unnötige Schnitte, weil sie den Rhythmus des Films unnötig stören und außerdem oft mitten im Dialog erfolgen, sodass man den Figuren nicht beim Sprechen zuschauen kann. Als Verbeugung vor einem aufrechten Demokraten und Patrioten ist "Die Akte General" trotzdem ein besonderer Fernsehfilm.