Genf, Damaskus (epd)Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura hat in Damaskus von der syrischen Regierung ungehinderten Zugang zu den Hungernden in den belagerten Städten des Landes eingefordert. De Mistura habe von Außenminister Walid al-Muallim ein schnelles Ja für die Lieferung von Hilfsgütern verlangt, teilte UN-Sprecher Ahmad Fawzi am Dienstag in Genf mit. Unterdessen kritisierte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen die jüngsten Angriffe auf mehrere Kliniken und Schulen in Syrien scharf. Dabei waren am Montag etwa 50 Menschen getötet worden. Zu den bombardierten Kliniken gehörte auch eine von "Ärzte ohne Grenzen" unterstützte Einrichtung in der Provinz Idlib.
Hilfsorganisationen: Dutzende Hungertote
Nach UN-Angaben hat das Regime von Baschar al-Assad bislang noch nicht auf die Forderung der internationalen Syrien-Unterstützergruppe nach einem ungehinderten Zugang für humanitäre Helfer zu den schätzungsweise 15 eingeschlossenen Orten reagiert. In den Gebieten harren etwa 400.000 Männer, Frauen und Kinder aus, Dutzende von ihnen sind Hilfsorganisationen zufolge bereits verhungert.
Der UN-Sondergesandte für Syrien habe sich in Damaskus zudem für eine rasche Wiederaufnahme der unterbrochenen Genfer Friedensgespräche eingesetzt. Die vorgesehenen indirekten Gespräche zwischen dem Assad-Regime und Oppositionellen sollen bis Donnerstag nächster Woche wieder starten, wie der UN-Sprecher erklärte.
Angriffe auf medizinische Einrichtungen
Die Syrien-Unterstützergruppe, zu der auch Deutschland gehört, hatte am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz vorige Woche neben dem Zugang für humanitäre Hilfe und der Fortsetzung der Friedensgespräche eine Feuerpause für Syrien angemahnt. Trotzdem kommt es seitdem immer wieder zu Luftangriffen in Gebieten, die weder vom sogenannten Islamischen Staat noch von der Al-Nusra-Front gehalten werden. Unicef sprach von zwei Angriffen auf medizinische Einrichtungen in Azaz nördlich von Aleppo und zwei Attacken in Idlib. Außerdem werde berichtet, dass bei Angriffen auf zwei Schulen in Azaz sechs Kinder getötet wurden. Russland und die USA machten sich am Montag gegenseitig für die Luftschläge verantwortlich.
"Wir sind entsetzt über die Angriffe auf vier Krankenhäuser in Syrien, von denen zwei von Unicef unterstützt werden", sagte Unicef-Exekutivdirektor Anthony Lake in New York. Eine dieser Einrichtungen ist eine Geburtsklinik, in der Berichten zufolge ebenfalls Kinder getötet wurden. Zahlreiche weitere Mädchen und Jungen hätten aus dem Gebäude in Sicherheit gebracht werden müssen. "Ganz abgesehen von diplomatischen Erwägungen und Verpflichtungen nach internationalem Völkerrecht, lassen Sie uns daran denken, dass die Opfer Kinder sind - Kinder!", empörte sich Lake. Das UN-Kommissariat für Menschenrechte erklärte, dass die jüngsten Angriffe auf Krankenhäuser möglicherweise Kriegsverbrechen gleichkämen. Es sei jedoch noch nicht klar, wer dafür verantwortlich sei.
Amnesty verurteilt "Kriegsverbrechen"
Amnesty International verurteilte die Angriffe auf die Kliniken ebenfalls als "eine eklatante Verletzung humanitären Rechts." "Die russischen und syrischen Streitkräfte wissen genau, dass gezielte Angriffe auf Krankenhäuser Kriegsverbrechen sind", teilte Amnesty mit.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in dem seit fast fünf Jahren andauernden Bürgerkrieg bislang mindestens 640 Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und anderes medizinisches Personal getötet worden. Etwa 60 Prozent der syrischen Krankenhäuser seien beschädigt oder zerstört, teilte die WHO am Dienstag in Genf mit. Nach dem Angriff auf die von den "Ärzten ohne Grenzen" unterstützte Einrichtung in Maarat al-Numan sprach die Organisation von sieben getöteten Mitarbeitern, acht weitere wurden zunächst vermisst.
In Syrien kämpfen das Assad-Regime, gemäßigte und islamistische Rebellen sowie Terroristen um die Macht. Seit März 2011 sind in dem Krieg bislang mindestens 260.000 Menschen gestorben, Millionen befinden sich auf der Flucht.