Berlin (epd)Sonntag ist Brunch-Tag - zumindest bei Hilde Ott. Ihre Brötchen kauft die 69-Jährige aber nicht beim Bäcker. Sie geht in den Hinterhof ihres Mietshauses im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dort steht ein sogenannter Fair-Teiler, voll gefüllt mit der Ausschussware zahlreicher Bäckereien vom Vortag. Mit den öffentlichen Kühlschränken will sich der Verein "Foodsharing" deutschlandweit gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einsetzen. In Berlin sind die "Fair-Teiler" aber inzwischen zum Zankapfel zwischen den Lebensmittelaufsichtsämtern und dem Verein geworden.
Jeder darf sich bedienen
"Unser Ziel ist es, möglichst viele Lebensmittel zu retten, die sonst in der Tonne landen würden", sagt Gerard Misler. Der 54-Jährige engagiert sich seit zwei Jahren bei "Foodsharing" und koordiniert den Betrieb der rund 20 "Fair-Teiler" in Berlin. Das Prinzip des Projekts ist simpel: Jeder darf Lebensmittel hineinlegen und jeder darf sich davon bedienen. Vorrausgesetzt, die Lebensmittel entsprechen den Anforderungen des Vereins: "An jedem 'Fair-Teiler' hängt ein Schild, das zeigt, welche Lebensmittel auf keinen Fall hineingehören. Das sind etwa schnell verderbliche Lebensmittel wie Fisch oder Hackfleisch", erklärt Misler.
Dass diese Regeln aber auch immer eingehalten werden, könne nicht garantiert werden. Denn: "Das ist schlicht etwas, das wir nicht leisten können. Schließlich arbeiten wir alle ehrenamtlich", sagt Misler. Auch die Säuberung der Kühlschränke erfolge auf Vertrauensbasis: "Alle sind dazu aufgefordert, die Hygiene der Kühlschränke zu achten." Zudem sei jeweils ein Team von Vereins-Mitgliedern für die Reinigung eines bestimmten "Fair-Teilers" zuständig.
Nach Ansicht der Berliner Lebensmittelaufsichtsbehörden reichen diese Maßnahmen aber nicht aus, um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten. Am 1. Februar hatten sich die zwölf zuständigen Bezirksämter daher auf einheitliche Kriterien für den Betrieb der "Fair-Teiler" verständigt. Deren Grundlage ist eine EU-Verordnung für Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2004. Demnach sind die Kühlschränke Lebensmittelbetriebe und keine privaten Übergabeorte. Entsprechend muss jeder "Fair-Teiler" auch in einem geschützten Raum stehen und von einer verantwortlichen Person ständig überwacht werden.
"Wir wollen die 'Fair-Teiler' nicht verbieten, aber es müssen Mindestanforderungen für deren Betrieb eingehalten werden", sagte ein Mitarbeiter des Lebensmittelaufsichtsamtes Berlin-Pankow dem Evangelischen Pressedienst (epd). So seien bei den drei Kühlschränken im Stadtteil "gesundheitsgefährdende Zustände", wie Schimmelbefall oder unverpackte Lebensmittel festgestellt worden. Und: "Teilweise haben die Kühlschränke schon faulig gerochen", erklärte der Mitarbeiter.
Etwa 300 Kühlschränke deutschlandweit
Diese Fälle seien Misler hingegen nicht bekannt: "In der ganzen Zeit, in der es die 'Fair-Teiler' gibt, ist uns noch kein gesundheitliches Problem zu Ohren gekommen." Auch die Auflagen der Lebensmittelaufsichtsämter könne er nicht nachvollziehen. Denn: "In allen anderen Teilen Deutschlands haben wir keinerlei Probleme mit unseren 'Fair-Teilern'." Insgesamt gebe es in der Bundesrepublik etwa 300 Kühlschränke. Der Verein wolle sich nun gegen die Berliner Auflagen wehren und habe eine Online-Petition gestartet, sagt Misler.
Die Berliner Staatssekretärin für Verbraucherschutz, Sabine Toepfer-Kataw (CDU), misst der Unterschriftensammlung wenig Aussicht auf Erfolg bei: "Ich glaube nicht, dass man durch eine Petition ein Gesetz ändern kann." Schließlich handele es sich bei den Auflagen um EU-Recht. Nun müssten die Berliner Bezirksämter prüfen, ob die einzelnen "Fair-Teiler" die Auflagen erfüllten. Zwei Kühlschränke seien bereits geschlossen worden.
Hilde Ott kann die Ansicht der Berliner Behörden nicht nachvollziehen: "Das ist totaler Quatsch." Der "Fair-Teiler" in ihrem Hinterhof sei für sie eine große Freude: "Das ist ein richtig kleiner Treffpunkt. Jetzt kenne ich auch die Leute hier im Haus."