Kunst bei 40 Grad waschbar

Kunst bei 40 Grad waschbar
Freundeskreise wollen mit eigenen Angeboten junge Menschen in Museen locken
Antike Münzen und alte Vasen: Ein neuer Freundeskreis will auch junge Menschen für Schätze des hannoverschen August Kestner Museums begeistern. Bundesweit wollen Kunstvereine junge Leute für Kunst interessieren.
15.02.2016
epd
Katharina Hamel (epd)

Hannover (epd)Die roten Lippen haben es Henrike Heller angetan. Zielstrebig steuert die 19-Jährige auf das Sofa in Kussmundform im Museum August Kestner in Hannover zu. "Das ist mein Lieblingsobjekt", präsentiert sie es den 14 jungen Frauen und Männern, die sich im Halbkreis um sie versammeln. Henrike hat das erste Treffen des neuen jungen Freundeskreises des Kestner-Museums organisiert. Sie will mehr junge Leute für das kulturgeschichtliche Museum begeistern.

"Das Sofa ist 30 Kilo schwer und der Bezug bei 40 Grad waschbar", erklärt sie den anderen. Die Idee stamme von dem spanischen Maler Salvador Dalí, der in einem surrealistischen Gemälde der 30er Jahre die Lippen der Schauspielerin Mae West als Sofa darstellte. Heute sei das Möbelstück ein echter Design-Klassiker. "Das Sofa wird inzwischen sogar mit Lippen-Piercing verkauft", erzählt Henrike kichernd und reicht ein Bild davon herum.

Neuer Blick auf die Kunst

Während ihres freiwilligen sozialen Jahres rief die Lüneburgerin das Treffen für Museumsfreunde im Alter von 18 bis 35 Jahren ins Leben. Inspiriert dazu wurde sie von ähnlichen Projekten an Kunstmuseen in Hannover, Wolfsburg, Emden, Oldenburg und Bremen. Dem Bundesverband der Fördervereine deutscher Museen für Bildende Kunst zufolge gibt es bundesweit rund 24 Kunstvereine für junge Leute.

Wie Henrike bringen dabei oft Gleichaltrige den anderen die Werke nahe. Im Kestner-Museum geht es um Lieblingsstücke. Die Sammlung, die von Kunst der alten Ägypter aus vorchristlichen Jahrhunderten bis zu den modernen Designklassikern reicht, bietet dabei für fast jeden Geschmack etwas. "So gewinnt man einen neuen Blick auf die Kunst", sagt Stefanie Abraham. Sie hat eine graue Schale aus sehr feinem Ton ausgewählt. "Damit wollten die Etrusker im sechsten Jahrhundert vor Christus Bronze imitieren", erläutert die 31-jährige, die Archäologie und Alte Geschichte studiert hat.

Die meisten Museumsbesucher seien bisher Kinder, Schüler und Senioren, sagt die stellvertretende Direktorin des Kestner-Museums, Pia Drake. Berufstätige und Menschen mit Kindern hätten oft nicht genügend Zeit. Bei Schülern, Studenten und Berufsanfängern, wie sie der Freundeskreis anspreche, sehe das oft noch anders aus. Sie könnten mit besonderen Angeboten gelockt werden.

Für Aktion gesorgt

Henrike Heller hat dafür bereits weitere Ideen. Mit dem Freundeskreis will sie Ausflüge in andere Museen machen, einen Band-Auftritt zwischen den Kunstobjekten organisieren und eine Party mit anderen Kunstvereinen feiern.

Nach dem ersten Treffen bleiben die Kunstliebhaber noch bei Wein und Knabbereien in der Cafeteria zusammen. "Die Idee ist aufgegangen", strahlt Henrike. Beim nächsten Mal will sich die Gruppe die neue Sonderausstellung "Macht und Ohnmacht" im Kestner-Museum ansehen. Und auch für Aktion wird gesorgt. Die jungen Frauen und Männer wollen sich in der historischen Kleiderkammer alte Gewänder überstreifen und Fotos schießen.