Nicht zuletzt dank der Inszenierung durch Judith Kennel, die bislang sämtliche Episoden gedreht hat und dabei bevorzugt mit Kamerafrau Nathalie Wiedemann zusammenarbeitet, ist "Das Versprechen" ähnlich düster wie viele Krimis aus Skandinavien. Dabei ist die auf reizvolle Weise morbide Atmosphäre durchaus zwiespältig; spätestens seit Goethes "Werther" weiß man um die tödliche Faszination solcher Geschichten.
Der Qualität des Films tut das keinen Abbruch, zumal die Handlung (Drehbuch: André Georgi, nach einer Idee von Kennel und Kerstin Cantz) nach dem obligaten Leichenfund zu Beginn eher eine unerwartete Komplexität entwickelt: Als die 15-jährige Nele in der Nähe von Schleswig vergewaltigt und ertrunken am Ufer gefunden wird, deuten sämtliche Hinweise auf den regional prominenten DJ Finn hin. Das Mädchen hat den jungen Mann angehimmelt und ist schon mehrfach aus einem dänischen Internat abgehauen, wenn Finn irgendwo aufgelegt hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schon diese ersten Minuten sind sehenswert, weil die junge Emilia Bernsdorf, die zuletzt bereits in der "Inga Lindström"-Romanze "Liebe deinen Nächsten" imponierte, nicht lange braucht, um große Wirkung zu entfalten. Jimi Blue Ochsenknecht wiederum verkörpert den DJ derart hingebungsvoll als Prototypen eines arroganten Kotzbrockens, dass er kaum als Täter infrage kommt; selbst wenn später rausstellt, dass er das Mädchen auf abstoßende Weise missbraucht hat. Aber zu diesem Zeitpunkt hat der Film längst eine andere Tonart angenommen, und Martin Brambach bekommt einmal mehr die Gelegenheit für großes Schauspiel: Arne Brauner, Leiter der Mordkommission und trockener Alkoholiker, ist eng mit den Eltern (Leslie Malton, Harald Schrott) des Mädchens befreundet. Er hat nun die traurige Aufgabe, ihnen die furchtbare Nachricht zu überbringen, und erleidet prompt einen Rückfall.
Hauptfigur der Reihe ist und bleibt aber natürlich Jana Winter (Natalia Wörner), mit deren Reise nach Dänemark "Das Versprechen" eine weitere Farbe bekommt, denn auf der Fähre hat die Kommissarin eine Flirtplauderei mit einem interessanten Dänen (Magnus Krepper), der sich kurz drauf als Kollege entpuppt: Er sucht nach einem verschwundenen Mädchen (Pauline Rénevier), das nicht nur das gleiche Internat besucht hat wie Nele; die beiden bildeten auch gemeinsam mit der Tochter des Schulleiters (Valeria Eisenbart, sie spielt die George in den "Fünf Freunde"-Filmen) ein unzertrennliches Trio. Mit viel Empathie und großer Glaubwürdigkeit inszeniert Kennel die entsprechenden Rückblenden, in denen sich die drei ABF (allerbeste Freundinnen) in der für dieses Alter typischen jugendlichen Schwärmerei ewige Treue schwören; bis in den Tod.
Ein bewegender Film über den schmalen Weg zwischen Zweifel und Verzweiflung, der nicht zuletzt durch die ausgezeichnete Führung der drei talentierten jungen Schauspielerinnen beeindruckt. Dankenswerterweise hat das ZDF auch darauf verzichtet, die skandinavischen Schauspieler zu synchronisieren. Sie sprechen deutsch mit starkem Akzent, sodass man sich bei ihren Dialogen sehr konzentrieren muss, aber das hat dieser Film ohnehin verdient; der Schwede Magnus Krepper, der schon als Titelgastfigur in einem "Tatort" seiner Rollenbeschreibung alle Ehre machte ("Borowski und der coole Hund"), ist zudem ein würdiger Partner für Natalia Wörner.