Berlin (epd)Große Hilfsbereitschaft auf der einen Seite, Hassmails und Brandanschläge auf der anderen: Deutschland scheint in der Flüchtlingsdebatte gespalten. Das macht auch gesellschaftlichen Organisationen Sorgen. Als Zeichen für Humanität und gegen Fremdenhass stellten zehn der größten zivilgesellschaftlichen Akteure am Donnerstag in Berlin eine "Allianz für Weltoffenheit" vor. Sie fordern Aufklärung statt Verunsicherung, Investitionen in Integration statt Beförderung von Ressentiments. Ihr Aufruf liest sich wie ein Gegenprogramm zur fremdenfeindlichen "Pegida"-Bewegung und eine demonstrative Unterstützung des "Wir schaffen das" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), das in der Politik mehr und mehr infrage gestellt wird.
Initiiert vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) haben sich Organisationen aus allen relevanten Gesellschaftsbereichen dem Aufruf angeschlossen. Teil der Allianz sind neben dem DGB evangelische und katholische Kirche, Zentralrat der Juden, Koordinationsrat der Muslime, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Deutscher Kulturrat, Deutscher Naturschutzring und Deutscher Olympischer Sportbund.
"Humanitäre Verpflichtungen erfüllen"
Die "Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat" fordert in ihrem Aufruf, angesichts der Flucht von Millionen Menschen weiter humanitäre Verpflichtungen zu erfüllen, gleichzeitig aber auch die Integration und erstarkende rechte Strömungen im Blick zu behalten. "Gerade in schwierigen Zeiten muss die Gesellschaft zusammenstehen und sich für ihre Schwächsten einsetzen", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte, es gehe darum, "couragiert Haltung zu zeigen". Deutschland stehe vor großen Herausforderungen. Die Allianz sei überzeugt, diese auch meistern zu können, betonte er. Dazu fordert das Bündnis eine sachliche und lösungsorientierte Debatte, die nicht von Parteitaktik bestimmt wird. Parteien sind daher auch nicht in der Allianz vertreten.
Das Bündnis wendet sich gegen den erstarkenden rechten Rand in Deutschland. Es fordert, menschenfeindlichen Haltungen entgegenzutreten und rechtsextreme Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte strafrechtlich konsequent zu verfolgen. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" steht programmatisch über dem Gründungsaufruf.
Allianz will weitere Mitglieder werben
Hoffmanns Angaben zufolge plant die Allianz Veranstaltungen, will weitere Mitglieder hinzugewinnen, vor allem aber auch in die eigenen Organisationen hineinwirken. Gemeinsam würden die Organisationen 60 Millionen Mitglieder vertreten, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Das sei eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft.
Die Organisationen wissen zugleich, dass auch in ihren Reihen Mitglieder sein können, die die Aufnahme von Flüchtlingen infrage stellen oder rechtsextreme Positionen vertreten. Man könne nur Teil der Lösung sein, wenn man wisse, "dass wir auch selbst Teil des Problems sind". Diakonie-Präsident Ulrich Lilie rief zum konstruktiven Dialog mit besorgten Bürgern, gleichzeitig aber auch zu "klarer Kante" gegen Rechtsextreme auf. "Mehr als 500 Angriffe gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte im letzten Jahr zeigen, dass noch nicht jeder in unserer Gesellschaft verstanden hat, dass die Würde jedes einzelnen Menschen unantastbar ist", sagte er.