Riskante Sprachhürden im Notfall

Riskante Sprachhürden im Notfall
Feuerwehr und Rettungsdienste schulen Mitarbeiter für die Beantwortung von 112-Notrufen
Heute ist der Europäische Tag des Notrufs. 112 ist die einheitliche Rufnummer - in Deutschland und in ganz Europa. Touristen, die per Anruf den Rettungsdienst alarmieren, müssen aber oft Sprachhürden überwinden.

Frankfurt a.M. (epd)Sie ist die wohl meistgewählte Telefonnummer in Deutschland: Die 112. Schätzungsweise mehr als zehn Millionen Mal wird die Notrufnummer bundesweit jedes Jahr gewählt. "Und die Anrufe werden immer mehr. Seit fünf Jahren steigen die Fallzahlen um fünf bis acht Prozent jährlich", sagt Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes und Chef der Bremer Feuerwehr anlässlich des Europäischen Tag des Notrufs 112 am 11. Februar.

Der von Parlament, Rat und Kommission der Europäischen Union eingeführte Jahrestag soll darauf aufmerksam machen, dass in der ganzen EU Menschen in Not die 112 wählen können. Wer in ein anderes europäisches Land reist, muss in Notsituationen nicht erst die nationalen Notrufnummern heraussuchen.

Fremdsprachen problematisch

Eingeführt wurde der europaweite Notruf bereits 1991, allerdings bislang mit durchwachsenem Erfolg. Denn nur 42 Prozent aller Deutschen wissen laut EU-Kommission, dass sie im europäischen Ausland die 112 im Notfall wählen können. In Großbritannien sind es sogar nur 18 Prozent. "Insgesamt wird von reisenden EU-Ausländern der Notruf nur relativ selten gewählt", sagt Knorr.

In Deutschland können die Notrufe neben Deutsch auch in Englisch und mit Hilfe von Übersetzern auch in den anderen europäischen Sprachen beantwortet werden, berichtet die Brüsseler Kommission auf ihrer Webseite. "Wird ein Notruf in einer Fremdsprache abgesetzt, ist dies ein bislang ungelöstes Problem", gibt hingegen Knorr zu bedenken. In den Feuerwehr- und Rettungsdienst-Leitstellen kann der sogenannte Disponent, also jene Person, die den Notruf entgegennimmt, zwar meist auf Englisch antworten. "Das ist aber auch eine Generationenfrage", räumt der Feuerwehrmann ein. Nicht alle Kollegen seien immer fit in Englisch. Rufe jemand an, der beispielsweise nur Ungarisch spreche, gebe es ein Problem.

Die Frankfurter Feuerwehr ist bei Notrufen in einer Fremdsprache dagegen in einer besonderen Situation. "Wir können auf den Dolmetscherservice des Flughafens zurückgreifen", sagt Ralf Grosch von der Zentralen Leitstelle. Es gibt eine Direktleitung zum Flughafen. In einer Art Konferenzschaltung kann dann der Hilferuf in viele Sprachen übersetzt werden.

Menschen in Stresssituation

"Dass wir diesen Service in Anspruch nehmen müssen, kommt aber nicht sehr oft vor", ergänzt Grosch. Denn meistens sprechen Hilfebedürftige oder andere, vor Ort befindliche Personen Englisch. Damit in der Leitstelle darauf reagiert werden kann, steht bei der Frankfurter Feuerwehr einmal im Jahr eine Schulung an. "Da werden auch die medizinischen Fachbegriffe in Englisch gelernt", sagt Grosch.

Immer wieder wählen ausländische Besucher in Frankfurt den Notruf auch in einem besonderen "Notfall": "Da ihr Smartphone in Deutschland kein Netz hat, der Notruf aber funktioniert, glauben sie, dass sie so ihren Provider anrufen", berichtet der Notrufexperte. Wenn sie dann bei der Feuerwehr und dem Rettungsdienst landen, seien die Anrufer überrascht.

Nicht nur fremdsprachige Anrufer sind für die Mitarbeiter der Leitstellen eine Herausforderung. "Man darf nicht vergessen, dass Menschen in Not sich in Stresssituationen befinden", betont Knorr. Mitunter schreie oder weine jemand beim Notruf, was wiederum die Verständigung erschweren könne. "Die Disponenten der rund 400 Leitstellen in Deutschland werden daher in sogenannten geführten Gesprächen geübt", sagt der Vizepräsident des Feuerwehrverbandes. Ziel sei hier eine deutliche Ansprache, um sofort die wichtigsten Informationen erhalten zu können.

Immer mehr Anrufer

So meldet sich die Feuerwehr Bremen mit dem Satz: "Feuerwehr und Rettungsdienst: Wo ist der Notfallort"? Breche das Telefongespräch nach der Antwort ab, könne immer noch Hilfe geschickt werden.

Frage man dagegen nach dem Namen und der Adresse des Anrufenden, könne es zu Fehlinterpretationen kommen. Denn ist der Anrufer bei jemand anderem zu Besuch, gibt aber beim Notruf dann seine eigene Adresse an, könne der Rettungswagen am falschen Zielort landen.

Die schnelle Hilfe per 112 nehmen laut Knorr immer mehr Menschen in Anspruch. Gründe seien die Änderungen in der ärztlichen Notfallversorgung, Konzentrationen in der Krankenhausstruktur und die wachsende Zahl älterer Menschen mit Gesundheitsproblemen. "Leider gibt es immer wieder auch Patienten, die keine Lust haben, lange beim Facharzt zu warten und daher lieber die 112 rufen", sagt Knorr.