Anna Karenina und der Papst - Bei den Schneidern des Münchner Volkstheaters

Anna Karenina und der Papst - Bei den Schneidern des Münchner Volkstheaters

Der Fundus des Münchner Volkstheaters ist bis unters Dach vollgestopft mit Kostümen, vom Eisbär bis zum Mönch. Gewandmeisterin Margit Faigle stellt sich den Herausforderungen der Kostümbildner - in dieser Spielzeit hat das viel mit Kunstblut zu tun.
05.02.2016
epd
Astrid Klammt (epd)

München (epd)Es ist eng im Kostümfundus. Kleidungsstücke hängen aneinandergereiht bis unter die Decke. Mäntel: einfarbig, kariert und gemustert. Hemden nach Halsumfang sortiert, Kleider nach Längen geordnet. Verschiedene "Wattons" mit gepolsterten Armen, Brust und Bauch, um schlanke Frauen und Männer dicker zu machen. Blusen, Mieder, Arbeitskleidung, dazwischen ein Eisbären- und ein Superman-Kostüm und kistenweise Accessoires. In dem rund 200 Quadratmeter großen Raum wird das aufbewahrt, was in den aktuellen Stücken des Münchner Volkstheaters nicht benötigt wird - und das ist viel, sehr viel.

Beim Nähen nicht sparen

Margit Faigle weiß genau, wo sie hingreifen muss, wenn sie etwas aus ihrem Fundus braucht. Seit 1996 leitet sie die Kostümabteilung am Münchner Volkstheater. Die Gewandmeisterin, die an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert hat, setzt die Entwürfe des Kostümbildners um und schneidert die Garderobe für die Schauspieler. Am meisten Spaß machen ihr historische Kostüme: Die Vorbilder für das Kleid der russischen Adligen Anna Karenina stammen von alten Gemälden, an üppigen Brokatstoffen wurde beim Nähen nicht gespart. Wobei der Opulenz finanzielle Grenzen gesetzt sind: "Es muss halt optisch passen", sagt Faigle.

Eine Frage der Wirtschaftlichkeit ist es auch, dass der Fundus sich quasi selbst recycelt. "Wir nehmen alte Kostüme und ändern sie für neue Aufführungen ab", erklärt Faigle. Ab und an dient der Fundus auch als Inspirationsquelle für Kostüm- und Bühnenbildner auf der Suche nach neuen Ideen. Und manchmal delegieren die Schneidermeister des Volkstheaters einen Auftrag: Das Papstgewand aus Rolf Hochhuths "Der Stellvertreter", 2012 neu inszeniert, wurde in Rom in einer Werkstatt angefertigt, die auch im richtigen Leben die Kleider für die Kardinäle im Vatikan schneidert. "Unser Papstkostüm ist also sehr korrekt", sagt Margit Faigle.

Der Gewandmeisterin ist es wichtig, dass sich die Schauspieler in ihren Kostümen wohlfühlen. Da darf ein Kragen nicht zu eng, die Hose nicht zu lang sein. Und natürlich verfügt die Herrin der Kostüme über eine Trickkiste. Bei den "Siegfried"-Vorstellungen zum Beispiel wären Metallrüstungen viel zu schwer für die Darsteller: Die Kettenhemden sind stattdessen gestrickt, die Oberflächen mit Stoffmalfarbe bearbeitet. Andere Kostüme werden "alt gemacht" - dann wird schon einmal ein neu angefertigter Anzug mit einer Stahlbürste bearbeitet und mit Schuhcreme speckiger Glanz auf die Hose gebracht.

Nichts für Faschingsnarren

Für Faschingsnarren auf Kostümsuche ist das Volkstheater allerdings keine Fundgrube. "Wir verleihen oder verkaufen nichts, denn wir dürfen damit kein Geld verdienen", sagt Margit Faigle. Wenn der Fundus doch mal ausgemistet wird, werden die Sachen an Mitarbeiter verschenkt. Einzige Ausnahme: "Manchmal leisten wir Nothilfe und verleihen Kostüme an kleinere Theater, die nicht so viel Geld haben", sagt Faigle. Der Verwaltungsaufwand dafür sei aber so hoch, dass ein grundsätzliches Tauschmodell für Kostüme unrentabel sei.

Die aktuelle Herausforderung für Margit Faigle und ihr Team besteht allerdings nicht in komplizierten Schnitten oder aufwendigen Kostümen. "Für das neue Stück 'Odyssee' brauchen wir jede Menge künstliches Blut und Öl", sagt Faigle. Der Spezialauftrag an die Kostümabteilung für Homers Heldengeschichte: Wie bekommt man das Zeug wieder aus den Kleidern raus? "Das ist ein bisschen Forschungsarbeit", sagt die Gewandmeisterin mit einem leisen Seufzer.