Berlin (epd)Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat deutliche Sorgen über eine zunehmende rechtextreme Gewalt in Deutschland geäußert. Angriffe auf Flüchtlingsheime wie in Tröglitz, Heidenau oder Villingen-Schwenningen zeigten: "Wir haben in Deutschland ein Problem mit fremdenfeindlicher Gewalt", sagte er am Mittwoch bei den 10. Berliner Sicherheitsgesprächen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Laut de Maizière gab es im Jahr 2014 insgesamt 198 Angriffe gegen Asylbewerber und auf Asylbewerberheime, 2015 waren es 1.005.
Flüchtlingskrise nur ein "Beschleuniger"
De Maizières Einschätzung zufolge haben das Ausmaß der Gewalt und die Verrohung von Sprache schon vor längerer Zeit zugenommen. Die Flüchtlingskrise sei dabei nur ein "Beschleuniger", aber "nicht der Auslöser" gewesen.
De Maizière sprach von einer "Entgrenzung" in der Kommunikation zwischen den Menschen. Im gesellschaftlichen Umgang müssten daher wieder neue Grenzen gezogen werden. Der Verzicht auf Gewalt in der Sprache führe zu einem Verzicht auf Gewalt in der Realität, sagte de Maizière. Deshalb dürften Hasskommentare im Internet nicht ignoriert werden. "Da muss man ermitteln", sagte de Maizière.
Der Geschäftsführer von "Pro Asyl", Günther Burkhardt, sagte, Deutschland erlebe "faktisch eine Welle von Terror gegen Flüchtlinge." Die Hemmschwelle sei gesunken. Fast jede dritte Nacht werde ein Haus abgefackelt. Bei der zunehmenden Zahl an Übergriffen sei es "Zufall, dass noch niemand zu Tode kam". Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Ermittlungsbehörden und stellte die Frage, ob die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden so zusammengezogen würden, dass die Täter gefasst würden.
Gefahr der Radikalisierung der bürgerlichen Mitte
Burkhardt sagte, für Deutschland stehe sehr viel auf dem Spiel, "nicht nur unser Ruf, sondern das Bild, das Deutschland in der Welt gezeigt hat durch eine Bevölkerung, die offen war für Flüchtlinge". Dieses Bild könnte kippen und das hätte auf Dauer auch starke ökonomische Auswirkungen, sagte Burkhardt.
Der Präsident der Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, erklärte, es gebe nicht nur eine zunehmende Radikalisierung bei Menschen, die als Neonazis gelten, oder Personen, die rechtsextremistisches Gedankengut verträten. Viele Personen, "die agitieren, die auch Straftaten begehen", seien früher für Verfassungsschutz und Polizei "völlig unauffällig" gewesen. Diese Personen hätten in der Vergangenheit womöglich "gar keine politische Meinung" gehabt oder Parteien gewählt, die im Bundestag vertreten seien, mutmaßte Maaßen. Nun befänden sie sich aber in einer Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylbewerber, in der sie sich radikalisierten.
Maaßen führte aus, er sei fast dazu geneigt, von einer "Radikalisierung der bürgerlichen Mitte" zu sprechen, aus der heraus Menschen bereit seien, Straftaten zu begehen. "Das sehen wir als eine große Gefahr", sagte der Verfassungsschutzpräsident. Die Flüchtlingsthematik sei zudem eine Art "Bindeglied" zwischen Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und den vielleicht früher politisch Indifferenten oder Gemäßigten.