So gesehen ist "Hundstage" kein guter Krimi, denn die Geschichte wirkt, als hätten sich Buch (Christian Jeltsch) und Regie (Stephan Wagner) bis zum letzten Moment offen gehalten, wer den Geschäftsmann, der zu Beginn tot aus dem Dortmunder Hafenbecken gefischt wird, auf dem Gewissen haben soll. Der Film vermittelt das Gefühl, als sei die Mördersuche nur Mittel zum Zweck: weil nicht der Fall im Zentrum steht, sondern das Ermittlerquartett, das auch bei der achten Zusammenarbeit immer noch ein bisschen an Kindergarten erinnert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Da die Grimme-Preisträger Jeltsch ("Einer geht noch") und Wagner ("Der Fall Jakob von Metzler") jedoch zu den Besten ihres Fachs gehören, ist "Hundstage" dennoch sehenswert, zumal die privaten und beruflichen Herausforderungen unterhaltsam miteinander verknüpft sind; sie sorgen für Spannung innerhalb des Teams und somit auch für den Film. Der beginnt mit zwei reizvollen Einführungen: In einer Rückblende scheitert eine deutlich jüngere Martina Bönisch (Anna Schudt) daran, das Verschwinden eines kleinen Jungen aufzuklären; und Faber (Jörg Hartmann) muss zum Psychologen, weil ihm der junge Kollege Kossik (Stefan Konarske) eine Dienstaufsichtsbeschwerde verpasst hat. Eine schlichte Frage des Therapeuten (Ronald Kukulies) erschüttert Fabers gesamtes Selbstverständnis: "Warum sind Sie Polizist?" Er bleibt nicht nur die Antwort schuldig, sondern verliert auch sein empathisches Gespür für die Tatanalyse. Immerhin sind die Reflexe noch intakt: Nach einer Schießerei am Hafenbecken gelingt es ihm, eine Frau zu retten; für den erschossenen Geschäftsmann kommt jede Hilfe zu spät. Es handelt sich um den Vater des vor 14 Jahren verschwundenen Kindes. Seine Gattin (Maren Eggert) ist überzeugt, den Jungen kürzlich wiedergesehen zu haben: als Sohn just jener Frau (Anne Ratte-Polle), die Faber aus dem Wasser gefischt hat. Hat sie den Mann erschossen? Aber warum?
Natürlich sind dies die zentralen Fragen des Films, und doch rücken sie immer wieder in den Hintergrund, weil das zwischenmenschliche Mit- und Gegeneinander der vier Ermittlerinnen und Ermittler schlicht interessanter ist. Mitunter geht es dabei auch spielerisch zu, wenn Kossik und Dalay (Aylin Tezel) ähnlich wie sonst Bönisch und Faber im Rollenspiel den Tathergang rekonstruieren wollen. Dass es andererseits fast zum Kuss zwischen den beiden Älteren kommt, grenzt an ein Spiel mit dem Feuer; die Liaison zwischen Kossik und Dalay in den ersten Filmen aus Dortmund war weitaus weniger reizvoll als die Erzählebene mit dem nach dem Tod seiner Familie traumatisierten Faber.
Glaubwürdig gespielt
Natürlich sind auch die titelgebenden Hundstage ein wesentliches Element der Handlung. Selbst die Musik (Irmin Schmidt) sorgt dafür, dass die flirrende Hitze zu spüren ist. Die entsprechend erschwerten Arbeitsbedingungen mögen erklären, warum sich Faber und Kossik gegenseitig einen Kinnhaken verpassen, aber dramaturgisch wäre das nicht unbedingt nötig gewesen. Des weiteren führt auch der reichlich genossene Alkohol zu der einen oder anderen etwas übertrieben anmutenden Ausnahmesituation; aber gespielt ist das alles ausgesprochen glaubwürdig. Handwerklich ist "Hundstage" ohnehin sehenswert; die Bildgestaltung mit ihren auffallend häufigen Schnitten lässt den Film aufwändiger wirken, als er ist. Bloß das Ende ist unbefriedigend, doch vielleicht gilt ja auch für den Film, was Bönisch mal als "bescheuertes Glück" bezeichnet: weil man oft erst später weiß, dass man in einer bestimmten Situation glücklich war; in dem Moment hat man’s einfach nicht gemerkt.