TV-Tipp des Tages: "Tatort: Totenstille" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Totenstille" (ARD)
24.1., ARD, 20:15 Uhr: "Tatort: Totenstille"
Obwohl die Monitore immer größer werden, ist das Fernsehen in den letzten Jahren immer mehr zu einem Medium für die Ohren geworden: Da offenbar viele Zuschauer nebenbei andere Dinge verrichten, müssen die Mitwirkenden ständig erklären, was gerade passiert. Aus demselben Grund lesen sie auch stets laut vor, was sie gerade am Computer schreiben.

In diesem interessanten "Tatort" aus Saarbrücken ist das alles anders, denn er folgt dem Motto "Ohren werden überschätzt": weil der Film unter Gehörlosen spielt. Deshalb ergeht es einem als Zuschauer zunächst nicht anders als Jens Stellbrink (Devid Striesow): Wer nicht gerade der Gebärdensprache mächtig ist, versteht nur Bahnhof. Später werden die "Übersetzungen" eingeblendet, aber das nützt dem Saarbrücker Hauptkommissar natürlich nichts; für die Vernehmungen bedient er sich daher einer Dolmetscherin. Tatsächlich wäre die Geschichte (Drehbuch: Peter Probst) ohne dieses Element im Grunde nicht weiter der Rede wert. So aber kommt die Handlung dadurch überhaupt erst ins Rollen.

Der Film beginnt mit der etwas taktlosen Parallelmontage einer Beerdigung und einem sexuellen Handgemenge. Während hier die Verdienste des Toten um die Inklusion gehörgeschädigter Mitmenschen gewürdigt werden, gerät dort das leidenschaftliche Liebesspiel derart außer Kontrolle, dass der Liebhaber schließlich schockiert auf einer Leiche liegt. Der Mann hat die Frau allerdings keineswegs erwürgt, wie er glaubt; sie ist an der Überdosis eines Aufputschmittels gestorben. Zum Krimi wird die Sache, weil ein gehörloser Begräbnisbesucher die Lippen des Mannes gelesen hat, als der telefonisch um Hilfe gerufen hat; also erpresst er ihn. Das wiederum rächt sich offenbar bitter, denn kurz drauf ist auch die Freundin des Lippenlesers tot.

Die reine Krimihandlung ist alles andere als spektakulär, aber dank Devid Striesow sind die Filme aus Saarbrücken grundsätzlich nie Zeitverschwendung. Die Einführung in die stille Welt der Gehörlosen klingt zwar fast zwangsläufig mitunter nach verfilmter Info-Broschüre, aber da das Thema nur vergleichsweise selten in Spielfilmen Berücksichtigung findet (bekanntestes Werk ist immer noch die dreißig Jahre alte Hollywoodproduktion "Gottes vergessene Kinder"), muss quasi jedes Mal wieder von vorn angefangen werden; deshalb lernt man wie schon in einem Kölner "Tatort" aus dem Jahr 2002 ("Schützlinge") als erstes, dass der Begriff "taubstumm" diskriminierend ist. Ähnlich wie damals Freddy Schenk, so eignet sich diesmal auch Jens Stellbrink ein paar Gesten an, um sich zumindest rudimentär mit dem Erpresser, der Zeuge bei dem einen Verbrechen sowie möglicher Täter bei dem anderen ist, verständigen zu können. Der tatsächlich gehörlose Benjamin Piwko ist in seiner ersten Hauptrolle eine ausgezeichnete Ergänzung zu Striesow. Der Schauspieler hat eine eigene Nahkampfkunst entwickelt und ist daher in der Lage, seinen Körper derart ausdrucksstark einzusetzen, dass er in vielen Szenen ganz auf seine Ausstrahlung vertrauen kann. Die Bildsprache des Films (Regie: Zoltan Spirandelli) ist dagegen weitgehend unauffällig. Das Detail, das aus dem Rahmen fällt, betrifft die Tonebene: Wenn sich die Handlung aus Sicht des Gehörlosen ereignet, wird es tatsächlich, wie der Titel verspricht, totenstill.