Berlin (epd)Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat am Mittwoch eine Novelle des Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen vorgestellt, mit der sie selbst nicht ganz zufrieden ist. Das Gesetz ist die Grundlage für den Abbau von Alltagshürden, die rund 7,5 Millionen behinderte und körperlich eingeschränkte Menschen in Deutschland häufig an einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hindern. Das Kabinett billigte den Gesetzentwurf. Die Opposition und Sozialverbände kritisierten ihn als zureichend.
Schlichtungsstelle eingerichtet
Dem Entwurf zufolge werden die Auflagen für Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden auf kleine Bauvorhaben ausgedehnt. Sind Gebäudeteile etwa für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich, muss das gemeldet werden. Bei der Behindertenbeauftragten des Bundes, Verena Bentele, wird eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Sie soll zwischen Betroffenen und Behörden vermitteln, wenn letztere ihre Auflagen nicht erfüllen. Die Behindertenorganisationen bekommen höhere Zuschüsse, vom kommenden Jahr an eine Million Euro. Davon können Verbandsvertreter etwa einen Gebärdendolmetscher oder Fahrdienste bezahlen.
2018 schließlich wird ein Rechtsanspruch auf Informationen in "Leichter Sprache" eingeführt. Behörden müssen dann kostenlos ihre Bescheide in einfachen Sätzen und Bildern erläutern, die auch lern- oder geistig behinderte Menschen verstehen.
Alle Verbesserungen gelten jedoch nur im Zuständigkeitsbereich des Bundes. So muss etwa die Deutschen Rentenversicherung dann Bescheide in leichter Sprache verschicken, nicht aber das kommunale Jobcenter. Dafür müssen die Länder eigene Gesetze machen. Nahles räumte denn auch ein: "Wir haben noch eine Menge zu tun". Auf der Bremse standen mehrere Bundesländer. Die Union lehnt Auflagen für die Wirtschaft ab.
Barrieren fristgerecht beseitigen
Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, begrüßte die Novelle, zeigte sich aber gleichzeitig enttäuscht. Das Vorhaben sei durch zahlreiche politische Kompromisse verwässert worden, sagte sie. "Der Entwurf bleibt leider deutlich hinter unseren Zielen zurück", sagte Bentele. Es reiche nicht, immer wieder auf die Barrieren hinzuweisen, die behinderten Menschen das Leben schwermachen. Sie müssten innerhalb verbindlicher Fristen beseitigt werden: "Wo Barrieren bestehen, das merken Menschen mit Behinderungen jeden Tag", sagte sie.
Die Grünen kritisierten, dass die Privatwirtschaft außen vor bleibe. Von Einkaufszentren, Arztpraxen oder Cafés könne weiterhin keine Barrierefreiheit eingefordert werden, erklärte die behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion, Corinna Rüffer. Der Sozialverband VdK schloss sich der Kritik an und bemängelte, seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenkonvention habe Deutschland viele Jahre nutzlos verstreichen lassen. Alle Bürger hätten Vorteile von einer barrierefreien Umwelt, sagte Verbandschefin Ulrike Mascher. Eine der dringendsten Aufgaben sei es, barrierefreie Wohnungen für die wachsende Zahl alter Menschen zu schaffen.