Berlin (epd)Nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln erwägt die Bundesregierung, anerkannten Flüchtlingen den Wohnsitz vorzuschreiben. Die Koalition habe eine große Chance, eine derartige Regelung in den nächsten Wochen zu vereinbaren, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Über weitere Verschärfungen des Asylrechtes wird diskutiert, seit in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten ein Mob junger Männer zahlreiche Frauen sexuell belästigt und bestohlen hatte. Unter den Tätern sollen auch Flüchtlinge sein.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, es werde derzeit "intensiv geprüft", ob Wohnsitzauflagen für anerkannte und subsidiär geschützte Flüchtlinge ausgedehnt werden sollten. Solche Beschränkungen gibt es derzeit nur für Asylbewerber im Verfahren und Geduldete, solange sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Anerkannte Flüchtlinge dürfen sich frei bewegen. Das verlangt unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention.
Kritik von der Opposition
Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) argumentierte, die Wohnsitzauflage werde gebraucht, sonst zögen alle in die Großstädte "und wir kriegen richtige Ghetto-Probleme". Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits für solch eine Auflage plädiert. Die Opposition kritisierte die Pläne. Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge seien völker- und europarechtlich unzulässig, sagte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke bezeichnete die Forderungen als "Stammtischpopulismus".
De Maizière forderte in einer Rede vor dem Gewerkschaftsdachverband dbb, schnell Konsequenzen aus den Taten in Köln zu ziehen. Er sei dazu im konstruktiven Gespräch mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), sagte de Maizière. Der Innenminister hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die Hürde, ab der sich Straffälligkeit auf ein Asylverfahren auswirkt, herabzusetzen. Bislang verhindert erst eine Freiheitsstrafe von drei Jahren die Anerkennung als Flüchtling.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner äußerte sich in der "Saarbrücker Zeitung" (Montagsausgabe) kritisch über Verschärfungen. Schon lange vor den Ereignissen in Köln seien verschärfte Bestimmungen beschlossen worden, "die ein Ende des Asylverfahrens und Abschiebung vorsehen, wenn dem keine humanitären Hindernisse entgegenstehen". Es gehe nun darum, das Vereinbarte umzusetzen und nicht ständig neue Verschärfungen zu fordern.
"Eine neue Dimension des Hasses"
Nach den Übergriffen in Köln beklagt der Zentralrat der Muslime indes eine zunehmende Feindseligkeit gegenüber Muslimen. Der Vorsitzende Aiman Mazyek sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montagsausgabe): "Wir erleben eine neue Dimension des Hasses." Seit Jahresbeginn habe die Zahl der Anfeindungen und Drohungen gegen seinen Verband zugenommen.
Beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps in Berlin warnte Bundespräsident Joachim Gauck davor, dass Muslime zum Feindbild freier Gesellschaften erklärt werden könnten. Es gelte, sich vor Feindbildern zu hüten "und sich bewusst zu machen, dass unter der Schreckensherrschaft des sogenannten Islamischen Staates vor allem Muslime zu leiden haben." Auch de Maizière warnte in Köln vor der Angst, sich durch Flüchtlinge Terror ins Land zu holen. Er halte dagegen, um die Flüchtlinge nicht ein zweites Mal zu Opfern zu machen, sagte er.
Justizminister Maas sagte, wer jetzt Hetzjagden gegen Flüchtlinge veranstalte, "scheint auf die Taten von Köln nur gewartet zu haben". Am Sonntagabend hatten Unbekannte in Köln mehrere Ausländer angegriffen.