Dramaturgisch geschickt beginnt der Film mit einem Super-8-Prolog, der belegt, dass einst alles ganz anders geplant war. Vor knapp 25 Jahren wollten beide Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen, aber dann kam es zur klassischen Rollenverteilung: die Karriere für Frank, Haushalt und Kinder für Catrin, die ihr Medizinstudium damals abgebrochen hat; ihre früheren Träume verwirklicht nun Tochter Annika (Helen Woigk), die wie einst die Mutter ebenfalls in Marburg studiert. Als Catrin ihre Tochter in die hessische Unistadt fährt, überkommt sie an alter Wirkungsstätte die Lust, das Studium fortzusetzen. Autor Stefan Kuhlmann findet dafür einen schönen Dialog zwischen Catrin und Tim (Daniel Fritz), dem gut gebauten WG-Mitbewohner ihrer Tochter. Er zerstreut ihre Furcht, der Zug sei doch längst abgefahren: "Wo ist das Problem? Nehmen sie den nächsten!" Und so geschieht es auch, allerdings sehr zum Missfallen von Frank, der seiner Frau vorwirft, sie zerstöre das gemeinsame Glück.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Wenn das Drehbuch überhaupt eine Schwäche hat, dann ist es die Glaubwürdigkeit von Franks Ablehnung. Natürlich lässt sich seine Haltung nachvollziehen, schließlich brauchte er an häusliche Herausforderungen bislang keinen Gedanken verschwenden; prompt verwandelt er die Küche in ein Schaubad, weil er die Spülmaschine nicht richtig bedienen kann. Aber Kind Nummer zwei, der 16jährige Philipp (Paul Falk), ist aus dem Gröbsten raus, und aus die erzwungene Zweisamkeit führt zu schönen Vater/Sohn-Szenen. Da der Film keine konkreten Argumente benennt, wirkt Franks Zorn etwas irrational und Catrins Studium wie ein Vorwand: Der räumliche Abstand hat zur Folge, dass die schleichende Distanzierung zwischen dem Paar plötzlich sichtbar wird. Die Entfremdung eskaliert, als Frank überraschend nach Marburg kommt, wo Catrin gerade Tims Anziehungskräften erlegen ist.
Trotz dieser Einwände ist "Besser spät als nie" in jedem Fall sehenswert: weil es dem Film nicht zuletzt dank der Umsetzung durch Christoph Schnee gelingt, das potenzielle Drama leicht zu erzählen. Über weite Strecken ist die Geschichte eine Komödie, ohne den Stoff dabei zu verraten. Besonders großen Anteil daran hat Nele Mueller-Stöfen, die Catrins Sehnsucht ebenso glaubwürdig verkörpert wie ihr Bedauern über die Konsequenzen. Das gilt auch für den Seitensprung mit Tim: Catrin ist eine attraktive, sportliche Frau, die mit Pferdeschwanz, Minikleid und ihrer positiven Ausstrahlung ziemlich sexy wirkt. Außerdem ergänzt Kuhlmann die Geschichte durch witzige Nebenhandlungen. Wirklich ärgerlich ist allein der großzügige Einsatz von Frauenpop, der für die emotionalen Vorzeichen sorgen soll; eine Unart, die in Filmen dieser Art langsam inflationäre Züge annimmt.