10.1., ARD, 21.45 Uhr: "Der gute Göring"
Hermann Göring, der prunksüchtige Gestapo-Gründer, Reichsmarschall und Hitler-Stellvertreter, hatte einen jüngeren Bruder namens Albert, der das genaue Gegenteil des Nazi-Bonzen war: Der gelernte Ingenieur lehnte den Nationalsozialismus ab und nutzte seinen berühmten Namen, um vielen Juden zur Flucht ins Ausland zu verhelfen. Genützt hat ihm das am Ende nichts: Die Alliierten glaubten ihm nicht, und die Deutschen wollten nach dem Krieg nur noch vergessen. Die ARD kündigt den Film nicht zu Unrecht als "Dokumentarspiel" an: Die Spielszenen mit Francis Fulton-Smith als Reichsmarschall und Barnaby Metschurat als Gegenentwurf sind bewusst theaterhaft angelegt. Der Kontrast zwischen den Brüdern, aber auch zwischen den beiden Darstellern macht den großen Reiz des Films aus; ihr wortloses Spiel ist dabei nicht minder beredt als die vorzüglichen Dialoge.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
11.1., ARD, 23.00 Uhr: "Die Story im Ersten: Ware Mädchen"
Etwa 8.000 Frauen bieten allein in Berlin ihren Körper zum Kauf an. Viele von ihnen haben keinen Pass und sprechen kein Deutsch. Es sind Frauen ohne Rechte, eingesperrt und fremdbestimmt. Junge Frauen aus Rumänien, zum Teil Minderjährige, müssen bis zu 15 Männer am Tag mit Sex bedienen, häufig ohne Schutz und ohne Auszeit bei Krankheiten. Besonders junge Mädchen aus Osteuropa werden immer häufiger Opfer skrupelloser Menschenhändler, gehalten wie Sklavinnen. In Rumänien, wo Prostitution eigentlich verboten ist, gibt es dennoch in allen größeren Städten illegale Bordelle. In diesem Klima blüht auch der Handel mit Mädchen, die in bitterer Armut aufwuchsen und ein leichtes Spiel für Menschenhändler wurden. Nadya Luer und Jo Goll haben über ein Jahr lang Kontakt zu Opfern von Zwangsprostitution aufgebaut. Die jungen Frauen schildern, wie sie von brutalen Menschenhändlern in der Heimat in die Falle gelockt wurden. Die Dokumentation zeigt auch, wie skrupellos Berliner Bordellbetreiber junge rumänische Frauen mit Anzeigen im Internet zur Prostitution nach Deutschland ködern; und das ganz legal, seit der Deutsche Bundestag 2002 mit dem Prostitutionsgesetz den Betrieb von Bordellen zur herkömmlichen Dienstleistung erklärt hat.
11.1., ARD, 23.45 Uhr: "Geschichte im Ersten: Als Olympia die Unschuld verlor"
Die IV. Olympischen Winterspiele von Garmisch-Partenkirchen waren die ersten Winterspiele der Superlative. Eine halbe Million Menschen kamen aus aller Welt, um im Schatten der Zugspitze den 646 Athleten aus 28 Nationen bei ihren Wettkämpfen zuzusehen. Nie zuvor hatten Winterspiele derartige internationale Aufmerksamkeit und derartiges Zuschauerinteresse geweckt. Für die Nationalsozialisten boten die Winterspiele vor allem die Möglichkeit, sich der Weltöffentlichkeit als vermeintlich tolerantes, weltoffenes und erfolgreiches Regime zu präsentieren. Damit waren die Spiele von Garmisch-Partenkirchen der entscheidende Testlauf für die Sommerspiele in Berlin. Das Ereignis wurde zum internationalen Propagandaerfolg für die nationalsozialistischen Gewaltherrscher. Heute sind die Winterspiele von 1936 in der Öffentlichkeit weitgehend vergessen. Die Dokumentation schließt zum 80. Jahrestag diese Lücke und erzählt die Geschichte der Winterspiele neu: ihre politische Vorgeschichte, ihre Bedeutung für die Etablierung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, ihre sportliche Geschichte im Zeichen des Hakenkreuzes.
11.1., WDR Fernsehen, 22.10 Uhr: "Väter - die neuen Helden"
Still, aber spürbar lösen die neuen Väter eine Revolution in unserer Gesellschaft aus. Über allem steht eine große Sehnsucht vieler Männer nach Zeit mit dem Kind. Sie wollen für sich etwas anderes als ihre eigenen Erzeuger. Für sie ist die Vaterschaft eine Zeitenwende. Sie würden gerne weniger arbeiten und sind bereit, weniger zu verdienen oder sogar vorübergehend auf die Karriere zu verzichten. Der zweiteilige Film von Jörg Laaks und Tanja Reinhard stellt einige Väter vor, deren Realität zum Teil jedoch anders aussieht, als sie sich das wünschen. Marcel Schiefer aus Düsseldorf zum Beispiel ist einer der jüngsten Sterneköche in Deutschlands und seit zwei Jahren Vater. Er sieht seine Tochter so gut wie gar nicht, so anspruchsvoll ist es, das Sterne-Restaurant zu führen. Gegenentwurf ist Thomas, Vater einer anderthalbjährigen Tochter, die in einer unternehmenseigenen Kindertagesstätte untergebracht ist. Sein Arbeitgeber schafft gerade die Präsenzkultur ab. Wenn er wollte, könnte Thomas die Hälfte der Woche von zuhause arbeiten; ein Idealzustand für den jungen Familienvater. Für die Väter von heute ist ohnehin vieles im Umbruch. Arbeit, Familie und Freizeit sinnvoll miteinander zu verbinden ist ein Balanceakt, es braucht Unterstützung vom Arbeitgeber, von der Politik und im privaten Umfeld. Der Film fragt außerdem, was überhaupt heutzutage noch eine klassische Mutteraufgabe ist; und was Vaterschaft mit dem Männerbild macht.
12.1., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Dorf des Vergessens"
Die Menschen, die in Tönebön leben, verstehen die Welt nicht mehr, und das keineswegs bloß in übertragener Hinsicht: Tönebön ist das erste deutsche Demenzdorf. Jana Matthes und Andrea Schramm haben einige der Bewohner ein halbes Jahr lang begleitet; in dieser Reportage erzählen sie ihre Geschichten. Zum Beispiel die von Barbara Thiede. Sie verlegte Kreditkarten, ließ Essen auf dem Herd anbrennen und vergaß, wo sie ihr Fahrrad abgestellt hatte. Mit fünfzig Jahren bekam sie die Diagnose: Alzheimer. Irgendwann konnte sie den Alltag Tochter nicht mehr bewältigen; selbstbestimmt leben wollte sie trotzdem. So fand sie Tönebön am See. Hier soll so viel wie möglich an zu Hause erinnern. Die Bewohner stehen auf, wann sie wollen und entscheiden selbst, wie sie den Tag verbringen. Sie kaufen im örtlichen Minimarkt ein und kochen gemeinsam in ihrer Wohngruppe. Die Bedürfnisse der Bewohner haben Vorrang vor dem Zeitplan der Pfleger. Viele Menschen glauben, sie seien hier zur Kur oder machten Urlaub; die Flachbauten am Rande Hamelns wirken in der Tat wie eine freundliche Ferienanlage. Rund fünfzig Demenzkranke wohnen hier, alle Türen sind unverschlossen, die Bewohner können einander besuchen und im Garten spazieren gehen. Alle Wege führen auf den runden Dorfplatz, so dass niemand in einer Sackgasse landet.
12.1., Arte, 20.15 Uhr: "Die Kirche und das Geld"
Der Politologe Carsten Frerk kritisiert das Finanzgebaren der deutschen Kirchen schon seit vielen Jahren. Im Finanzbericht des Bistums Köln, einem der reichsten Bistümer der Welt, entdeckte er hinter einem Milliardenvermögen großangelegte Immobilien- und Fondsgeschäfte. Alte Verträge zwischen Kirche und Staat führen in anderen Kommunen zu stetigen Einnahmequellen. In Frankreich dagegen sind Kirche und Staat strikt voneinander getrennt. Ein Landpfarrer im Raum Lyon verdient gerade einmal 960 Euro. Kirchengebäude müssen verkauft, Kirchen abgerissen werden, weil ihr Unterhalt nicht mehr finanziert werden kann. Autor Michael Wech geht in seinem Film den weit verzweigten Kirchenfinanzen nach und zeigt, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Kirchenfinanzsysteme in Deutschland und Frankreich haben. So wird der Fall eines deutschen Pfarrers aufgerollt, der Millionen unterschlagen hat, ohne dass seine bischöfliche Aufsichtsbehörde aus diesem Vergehen grundlegende Konsequenzen zieht. Der Fall sei symptomatisch, meint der Autor, und plädiert für mehr Transparenz und Kontrolle; gerade die enge finanzielle Verknüpfung von Kirche und Staat in Deutschland gehöre dringend auf den Prüfstand.
13.1., Bayerisches Fernsehen, 19.00 Uhr: "stationen: Kirchenasyl und dann?"
Sie wäre wohl inzwischen in Italien, abgeschoben von der Polizei. Jetzt malt Shahinas Othman Bilder für ein Präventionsprojekt der Bundespolizei zum Thema "Schleusung". Vor fünf Monaten hätte sie daran nicht einmal im Traum zu denken gewagt. Von Mai bis Ende August 2015 war die 37-jährige Syrerin im schwäbischen Immenstadt in der evangelischen Kirche im Kirchenasyl, so wie derzeit etwa 430 Flüchtlinge in 280 Gemeinden in ganz Deutschland. Christian Wölfel begleitet ehemalige Kirchenasyl-Bewohner nach dem monatelangen Warten in den Kirchengemeinden auf ihrem mühsamen Weg, sich eine Zukunftsperspektive zu schaffen. Vielen Politikern ist das Kirchenasyl ein Dorn im Auge. Kirchenvertreter kämpfen darum, auch weiter in Härtefällen Menschen Asyl in den Gemeinden zu gewähren. Shahinas konnte aus dem Pfarrhaus ausziehen. Sie darf vorerst ebenso in Deutschland bleiben so wie der 27-jährige Syrer Hussam oder der 18-jährige Afghane Ali. Die beiden jungen Männer wurden im Kirchenasyl der katholischen Gemeinde in Tutzing vor der Abschiebung nach Ungarn und Bulgarien bewahrt. Das ist zwar nun vom Tisch, doch damit ist noch längst nicht klar, wie es für sie weitergeht.
15.1., Arte, 22.35 Uhr: "Nicki will ausziehen"
Nicki Gerlach ist 28 und lebt in Hamburg. Dass er das Down-Syndrom hat, ist für ihn kein Grund, auf etwas in seinem Leben zu verzichten, ganz im Gegenteil: Er rutscht begeistert auf Skiern die Berge herunter, arbeitet als Theaterschauspieler und ist gerade wieder frisch verliebt. Doch Nicki wohnt noch zu Hause; und das will er seit Jahren ändern. Seit seine Mutter vor ein paar Jahren an Krebs starb, hat sein Vater Rainer die alleinige Verantwortung für seinen behinderten Sohn. Nicki ist über all die Jahre ein großer Teil seines Lebensinhaltes geworden, und ihn jetzt ziehen zu lassen, fällt ihm schwer. Aber Selbstständigkeit ist wichtig für Nicki, gerade wegen seiner Behinderung. So sehr er die Fürsorge seines Vaters auch genießt, er fühlt sich immer mehr bevormundet und eingeengt. Wie sein großer Bruder Christoph möchte er in einer eigenen Wohnung leben. Doch wie soll er seinen Vater überzeugen und wie eine geeignete Wohnform finden? Der Dokumentarfilm begleitet Nicki ein Jahr lang und zeigt, welche Möglichkeiten es für Menschen mit geistiger Behinderung gibt, die von Zuhause ausziehen wollen. Nicki zu kennen empfinden viele als große Bereicherung. Vor allem Nichtbehinderte äußern immer wieder, dass sie viel von ihm lernen können. Mittlerweile kann das Down-Syndrom bereits in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium festgestellt werden. Humangenetiker prophezeien, dass es vielleicht schon bald keine Menschen wie Nicki mehr geben wird. Der Dokumentarfilm macht auch deutlich, was unserer Gesellschaft dadurch verloren ginge.