Wissenschaftliche Edition von Hitlers «Mein Kampf» erschienen

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Wissenschaftlich kommentierte Gesamtausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf".
Wissenschaftliche Edition von Hitlers «Mein Kampf» erschienen
Das Münchner Institut für Zeitgeschichte bezeichnet die kommentierte Neuausgabe von Hitlers «Mein Kampf» als «politisch-moralisch notwendig». Bei der Vorstellung der Edition reagierten die Historiker gelassen auf Medienrummel und kritische Stimmen.
08.01.2016
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Rieke C. Harmsen (epd)

München (epd)Seit Freitag ist die wissenschaftlich kommentierte Gesamtausgabe von Adolf Hitlers Propagandaschrift "Mein Kampf" lieferbar. Und schon ist das Buch vergriffen. Denn gedruckt wurde der 2.000-Seiten dicke Doppelband in einer Auflage von 4.000. Nun liegen schon mehr als 15.000 Bestellungen vor. Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), wirkte am Freitag bei der Präsentation etwas überrascht ob des großen Interesses. "Wir drucken nach, doch es kann zwei Wochen dauern, bis die Bücher beim Kunden sind", sagte er vor mehr 100 Journalisten aus aller Welt.

Wirsching bezeichnete die Edition als "politisch-moralisch notwendig". Es sei "schlicht unverantwortlich, dieses Konvolut der Unmenschlichkeit gemeinfrei und kommentarlos vagabundieren zu lassen, ohne ihm eine kritische Referenzausgabe entgegenzustellen". Die kritische Edition beruhe auf dem aktuellsten Stand der wissenschaftlichen Forschung. Sie enttarne die von Hitler gestreuten Falschinformationen und Lügen. Damit werde der Symbolwirkung des Buches die Grundlage entzogen.

Kershaw: Verbannung sinnlos

Adolf Hitler hatte das Buch 1924 in der Festung Landsberg geschrieben, wo er nach einem Umsturzversuch inhaftiert war. "Mein Kampf" wurde bis 1945 mehr als zwölf Millionen Mal gedruckt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übertrug die US-Regierung die Urheberrechte an den Freistaat Bayern, der den Nachdruck untersagte. Ende 2015 - also 70 Jahre nach Hitlers Todesjahr - sind die Urheberrechte erloschen.

Der britische Historiker Ian Kershaw betonte, es sei "höchste Zeit, dass eine wissenschaftliche Edition erscheint". Eine Zensur in freier Gesellschaft würde nur dazu beitragen, einen Mythos zu schaffen und die Faszination des Unzugänglichen noch zu steigern. Ohnehin sei eine Verbannung sinnlos, zumal der Text im Internet stehe und das Buch antiquarisch erworben werden könne.

Projektleiter Christian Hartmann sprach von einer "Edition mit Standpunkt". Das ändere jedoch nicht das Geringste am wissenschaftlichen Charakter des Werkes, das in drei Jahren harter Arbeit entstanden sei. Jedes Kapitel verfüge über eine Einleitung. Zudem werde der gesamte Text "Satz für Satz erklärt", sagte Hartmann. Damit könne die Edition auch gut im Unterricht verwendet werden. Damit widersprach Hartmann der Einschätzung, dass das Werk nicht geeignet sei für Schüler. Das hatte etwa der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, erklärt.

Wanka: Wichtiger Beitrag für politische Bildung

Unterschiedliche Einschätzungen zu der Veröffentlichung haben die deutsche und die internationale Vertretung der Juden. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, sprach in New York mit Blick auf die kommentierte Ausgabe von "Unsinn" und fordert, die NS-Propagandaschrift in den "Giftschrank der Geschichte" zu verbannen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hingegen hat "nichts einzuwenden". Er hoffe, dass die wissenschaftliche Einordnung und Erläuterung des Textes dazu beitrage, "die menschenverachtende Ideologie Hitlers insgesamt zu entlarven und Antisemitismus entgegenzuwirken".

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bezeichnete das Werk als "ganz wichtigen Beitrag für die politische Bildung". Es sei wichtig, dass Lehrer und Schüler nun auf "dieses zentrale Buch zurückgreifen können, um das es auch viele Mythen gibt". Die Gefahr, dass junge Leute nun vom Gedankengut Hitlers beeinflusst werden könnten, sieht Wanka nicht. Die Jugendlichen könnten nun selbstständig denken und eben nicht auf populistische Verführer hereinfallen, sagte sie in der Sendung "RTL Aktuell".