für Essenseinladungen bringen Einheimische und Flüchtlinge zusammen
Hannover, Celle (epd)Mustafa (19) aus dem Sudan schält mit dem Messer eine Kartoffel. Philipp (23) und Stefan (26) machen sich in einer Küche in Hannover ebenfalls konzentriert ans Werk. Kathrin und Franzi kramen derweil Pfannen und Töpfe aus dem Schrank und schalten den Herd ein. Die Vierer-WG hat Mustafa über die Initiative "Welcome Dinner Hannover" zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Die Idee dahinter: Bei einem gemeinsamen Essen lernen sich Einheimische und Geflüchtete kennen.
Typisch deutsch: Kartoffeln
Es soll Kartoffelbrei mit Rahmspinat, Tiefkühllachs und heller Soße geben. "Weil Kartoffeln so typisch deutsch sind", erläutert die Journalistik-Studentin Kathrin (26). Auch einen großen Teller mit Mozzarella und Tomatenscheiben richten die Gastgeber an. "Was esst ihr im Sudan?", fragt die 25-jährige Franzi und spricht sehr laut und deutlich.
Mustafa sucht nach Worten. Er ist erst seit vier Monaten in Deutschland. "Asseeda", antwortet er schließlich. Und erläutert, der Brei aus Hirse sehe so ähnlich wie Kartoffelbrei aus. Traditionell werde er mit Fleisch serviert. Über das Essen lässt es sich unkompliziert ins Gespräch kommen, das ist der Gedanke hinter dem "Welcome Dinner". Pate für die Initiative, die es mittlerweile in vielen deutschen Städten gibt, ist das schwedische Projekt "Invitationsdepartementet". Die Stockholmer Lehrerin Ebba Akerman initiierte es, nachdem sie bemerkt hatte, dass kaum einer ihrer Sprachschüler eine schwedische Wohnung von innen kannte.
"Die Einladung verpflichtet erst mal zu nichts Weiterem", sagt der Celler evangelische Superintendent Hans-Georg Sundermann, der ein ähnliches Projekt unter dem Motto "Gastgeber sein" vor rund einem Jahr in seinem Kirchenkreis startete. "Aber in vielen Fällen ist mehr daraus geworden." Allerdings sei der Kirchenkreis ein wenig früh dran gewesen, erläutert Pastor Uwe Schmidt-Seffers. Anfangs seien vor allem Flüchtlinge aus Balkan-Ländern nach Celle gekommen, von denen viele wieder gehen mussten. Derzeit stocke das Projekt. Die Anlaufstelle der Stadt, über die Einladungen vermittelt wurden, ersticke in anderen Aufgaben.
Besucher aus anderen Kulturen
"Aber wir wollen weiter machen. Es gibt Gastgeber", betont Schmidt-Seffers. Seit kurzem habe der Kirchenkreis eine eigene Flüchtlingskoordinatorin angestellt, die persönliche Kontakte zu den Neuankömmlingen knüpfen wolle. "Nur eine Einladung abzugeben, reicht nämlich nicht." In Hannover zählt ein Flüchtlingswohnheim zu den Initiatoren des "Welcome Dinner", das erleichtert den ersten Schritt. Seit Mitte November kamen bereits 70 Einladungen zustande, sagt die ehrenamtliche Mitorganisatorin Victoria Glück. "Das Angebot stößt auf großes Interesse."
Auch über das Internet werden Gäste und Gastgeber zusammengebracht. Manche Initiativen wie das "Welcome Dinner" in Lüneburg geben zudem im Netz Verhaltenstipps für den Umgang mit den Besuchern aus anderen Kulturen. Wer will, kann später ein Foto vom gemeinsamen Essen knipsen, das zusammen mit einem kleinen Text auf Facebook veröffentlicht wird.
Und nicht selten wird aus Pflaumenkuchen im Herbst eine Verbindung, die den Jahreswechsel überdauert. So wie bei Matthias Skorning aus Lüneburg und seinem Gast Bashir aus Aleppo in Syrien. Bashir spielt jetzt mit Skornings Sohn Fußball in einem Uni-Projekt oder kommt vorbei, um Deutsch zu üben. "Er ist inzwischen gewissermaßen ein Freund des Hauses", sagt Skorning. Auch für Mustafa und die WG in Hannover soll das erste nicht das letzte Treffen gewesen sein. Bis 22 Uhr haben sie zusammengesessen. Sie wollen sich wiedersehen.