Köln (epd)Eine Woche nach den massiven Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof hat die Polizei 16 Verdächtige ermittelt. Es handle sich um junge Männer, die weitestgehend aus dem nordafrikanischen Raum stammten, erklärte die Polizei am Donnerstag in Köln. Ein von Medien veröffentlichter Einsatzbericht eines leitenden Beamten offenbart derweil die Dimension der Gewalt und die Überforderung der Polizei. Es seien viel zu wenig Beamte eingesetzt worden, heißt es darin. Gruppen junger Männer hatten aus einer Ansammlung von über tausend Menschen heraus gezielt Frauen sexuell bedrängt und bestohlen.
Bis Donnerstag wurden 121 Anzeigen von Opfern erstattet. In drei Viertel der Fälle gehe es um Sexualstraftaten, teilweise verknüpft mit Diebstahl, erklärte die Polizei. Die übrigen Strafanzeigen beziehen sich auf Körperverletzung und Diebstahl. Bisher seien "zwei Vergewaltigungen im juristischen Sinne" angezeigt worden, sagte eine Polizeisprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Frauen durchliefen 'Spießrutenlauf'"
Der Bericht eines leitenden Polizisten, aus dem "Bild" und "Spiegel online" am Donnerstag zitierten, macht das Ausmaß der Gewalt in der Silvesternacht deutlich. "Frauen mit Begleitung oder ohne durchliefen einen im wahrsten Sinne 'Spießrutenlauf' durch die stark alkoholisierten Männermassen, wie man es nicht beschreiben kann", schreibt der Beamte in dem Papier, das den Angaben zufolge auf den 4. Januar datiert ist.
Die Polizei sei bereits bei ihrem Eintreffen von aufgewühlten Passanten sowie Bürgern mit weinenden und geschockten Kindern über Schlägereien, Diebstähle und sexuelle Übergriffe auf Frauen informiert worden. Das widerspricht der offiziellen Darstellung, das Ausmaß der Gewalt sei erst im Laufe des Neujahrstages klargeworden und erst nach Mitternacht hätten erste Opfer Strafanzeige erstattet und sexuelle Übergriffe geschildert.
Die Polizei wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren. Polizeipräsident Wolfgang Albers kündigte lediglich an, im Laufe des Donnerstags den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) umfassend zu informieren. Bis zur Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag am kommenden Montag werde er keine weiteren Details zur Einsatzvorbereitung und zum Einsatzverlauf nennen.
Verletzte und Tote befürchtet
Im internen Bericht des leitenden Beamten heißt es den Angaben zufolge, am Silvesterabend hätten sich am Kölner Bahnhofsvorplatz und an der Domtreppe "einige Tausend meist männliche Personen mit Migrationshintergrund" befunden, die Feuerwerkskörper in die Menschenmenge gefeuert hätten. Angesichts der chaotischen Situation seien Verletzte und sogar Tote befürchtet worden, daher seien die Domtreppe und der Bahnhofsvorplatz ab 23.30 Uhr geräumt worden.
Immer wieder hätten zahlreiche weinende und schockierte Frauen und Mädchen bei den Beamten sexuelle Übergriffe "durch mehrere männliche Migranten/ -gruppen" geschildert, schreibt der Beamte den Medien zufolge in dem Papier: "Die Einsatzkräfte konnten nicht allen Ereignissen, Übergriffen, Straftaten usw. Herr werden, dafür waren es einfach zu viele zur gleichen Zeit." Durch die Präsenz der Polizei und aufmerksame Passanten seien immerhin "vollendete Vergewaltigungen verhindert" worden. Den Polizisten begegnete die Masse alkoholisierter Männer nach dem Bericht des erfahrenen Beamten mit einer "Respektlosigkeit, wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nicht erlebt habe".
Sicherheitslage am Hauptbahnhof in der Kritik
Kriminologen kritisierten die Sicherheitslage am Kölner Hauptbahnhof. Es gebe offensichtlich kein Sicherheitskonzept, "sonst würde es nicht so viele Vorfälle geben", sagte Professor Joachim Kersten von der Deutschen Polizeihochschule in Münster dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstagsausgabe). Der Kriminologe Frank Neubacher von der Universität Köln verlangte eine größere Polizeipräsenz am Bahnhof.
Auch in Hamburg gibt es über 50 Anzeigen wegen Übergriffen und zum Teil Diebstahls in der Silvesternacht, in Düsseldorf 15. In Dortmund erstatteten drei Frauen Anzeige, in Frankfurt vier.