Frankfurt a.M. (epd)Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschied am Donnerstag, dass die Neuregelung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist. Demnach kann die Sicherungsverwahrung in Altfällen über die früher geltende Höchstgrenze von zehn Jahren bestehen bleiben.
Ein Mann, der seit mehr als zehn Jahren in Sicherungsverwahrung in Niedersachsen untergebracht ist, sah sein Recht auf Freiheit verletzt und hatte geklagt. Der Kläger war vom Landgericht Hannover 1986 wegen zweifachen Mordversuchs und versuchter Vergewaltigung zu 15 Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung seiner Strafe in Sicherungsverwahrung untergebracht worden.
Die Richter befanden, dass der Mann wegen einer Persönlichkeitsstörung einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten habe und ein hohes Risiko bestehe, dass er im Falle seiner Entlassung unter Alkoholeinfluss weitere Gewaltstraftaten begehen würde. Nachdem die damals geltende Höchstdauer der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren erreicht war, ordneten die Gerichte in regelmäßigen Abständen eine Verlängerung an.
Richter: Maßnahme notwendig
Der Mann, der derzeit noch immer in einer Einrichtung in Rosdorf bei Göttingen lebt, sah unter anderem sein Recht auf Freiheit verletzt. Zudem machte er einen Verstoß gegen das Prinzip "keine Strafe ohne Gesetz" geltend, weil die Unterbringung in Sicherungsverwahrung wie eine verlängerte Haftstrafe sei.
Die Richter in Straßburg urteilten am Donnerstag jedoch, dass es sich bei der Unterbringung im vorliegenden Fall um eine notwendige Maßnahme zur Behandlung einer psychischen Krankheit handle, die nicht mehr als Strafe gelte. Die Sicherungsverwahrung als Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken sei zulässig, heißt es in der Entscheidung. Danach kann die Unterbringung in Altfällen über die früher geltende Höchstgrenze von zehn Jahren nachträglich bestehen bleiben, wenn dies für die therapeutische Behandlung des Täters notwendig ist.
Es war das erste Mal, dass sich das Gericht mit der neuen Regelung zur Sicherungsverwahrung in Deutschland beschäftigte. Die Unterbringung war 2013 grundlegend reformiert worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die nachträgliche Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig eingestuft hatte. Damals mahnten die Richter das sogenannte Abstandsgebot an und kritisierten, dass sich die Sicherungsverwahrung nicht deutlich genug vom Strafvollzug unterscheide. Der Kläger im vorliegenden Fall sitzt seit der Reform in einer neu errichteten Einrichtung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Rosdorf, wo Sicherungsverwahrte in Einzelapartments leben und Zugang zu therapeutischen Behandlungen haben.