Berlin (epd)Die Verschärfung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran könnte Auswirkungen auf den Export deutscher Rüstungsgüter in die Region haben. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), dessen Haus für Genehmigungen zuständig ist, kündigte am Montag eine genaue Untersuchung an. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen, die wir Saudi-Arabien bislang zur Landesverteidigung geliefert haben", sagte er in Berlin. Opposition und Kirchen erneuerten indes ihre Forderung nach einem Stopp von Rüstungsexporten - auch solchen, die bereits genehmigt sind.
Gabriel sagte, es zeige sich, "dass es richtig war, weder Kampfpanzer noch die Maschinengewehre G36 nach Saudi-Arabien zu liefern". Zuvor hatte die Bundesregierung nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien ihren Kurs in der Rüstungsexportpolitik unterstrichen. Die Genehmigungspraxis sei "grundsätzlich restriktiv", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. An diesen strengen Regeln solle festgehalten werden.
Mahnende Stimmen aus der Koalition
Bedenken gegen die bisherige Rüstungsexport-Praxis kamen währenddessen auch aus der Koalition. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben): "Zurzeit müssen politische Interessen im Vordergrund stehen, wirtschaftliche Fragen haben dahinter zurückstehen. Ich plädiere dafür, bei den Waffenlieferungen sehr zurückhaltend und auch ablehnend zu sein."
Der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der CDU-Politiker Michael Hennrich, sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe): "Ein Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal." Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Franz-Josef Jung (CDU) betonte demgegenüber, Saudi-Arabien bleibe "mit Blick auf die Stabilität in der Region ein wichtiger Partner" Deutschlands.
Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, die strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien aufzukündigen und mäßigend auf die Regierungen in Riad und Teheran einzuwirken. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Massenexekutionen müssen für die Bundesregierung der letzte Weckruf sein, dass sie so nicht weitermachen kann." Auch wegen der Beteiligung des Landes am Krieg im Jemen hätten die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien "längst eingestellt" werden müssen.
Kirchen-Organisation: Exporte stoppen
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) forderte ein sofortiges Ende von Rüstungsexporten in die Region. "Die erteilten Genehmigungen müssen gestoppt oder ausgesetzt werden," sagte die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel, dem epd. Mögliche Kompensationsforderungen an die deutsche Regierung dürften in der jetzigen Lage kein Grund sein, die Genehmigungen nicht zurückzuziehen.
Die Hinrichtungen hatten am Wochenende international Entsetzen und Proteste ausgelöst. Unter den 47 Getöteten ist der oppositionelle schiitische Geistliche Nimr al-Nimr, was die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran verschärfte, das sich traditionell als Schutzmacht der Schiiten sieht. In Teheran wurde die saudische Botschaft gestürmt. Saudi-Arabien brach am Sonntag die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab.
Amnesty International forderte von der Regierung Saudi-Arabiens die Aussetzung aller Hinrichtungen. Mit der Massenexekution von 47 Menschen habe Saudi-Arabien "eine völlige Missachtung der Menschenrechte" gezeigt, kritisierte Ruth Jüttner, Nahost-Expertin der Menschenrechtsorganisation. Amnesty zufolge droht nun auch dem Neffen von Scheich Nimr Baqir al-Nimr, Ali al-Nimr, die Hinrichtung. Er sei wegen der Teilnahme an regierungskritischen Protesten im Februar 2012 festgenommen und im Mai 2014 zum Tode verurteilt worden.