Wer dem NDR Böses wollte, weil die Filme keine Krimis für den Kopf sind, könnte behaupten, Regisseur Christian Alvart und Autor Christoph Darnstädt erzählten immer wieder die gleiche Geschichte: LKA-Kommissar Tschiller (Til Schweiger) will verhindern, dass die Stadt endgültig in die Hände der kurdischen Mafia fällt. Dem Clan-Boss Firat Astan (Erdal Yildiz) ist in diesem Zweikampf jedes Mittel recht. Im dritten Film, "Der große Schmerz", ursprünglich Mitte November eingeplant und dann wegen der Terroranschläge in Paris verschoben, trifft der Gangster den Polizisten an seinem wundesten Punkt. Astan soll nach Bayern verlegt werden und will sich während der Überstellung befreien lassen. Seine Leute entführen Tschillers Frau und Tochter (Stefanie Stappenbeck, Luna Schweiger). Er soll den Transport begleiten und Astan unterwegs laufen lassen.
Handlung überschaubar, doch Thrill
Natürlich ist die Handlung überschaubar; die Krimis aus Hamburg wollen nicht durch raffinierte Geschichten, sondern durch den puren Thrill fesseln. Das gelingt auch diesmal vortrefflich: Alvart ist erneut ein packendes Action-Spektakel gelungen. Anders als in vergleichbaren Hollywood-Produktionen kann der Aufwand natürlich nicht von Mal zu Mal erhöht werden. "Der große Schmerz" ist zwar ebenso wie seine beiden Vorgänger sichtbar teurer als andere Fernsehfilme, aber Steigerungen sind im Grunde nur auf emotionaler Ebene möglich; deshalb ist das Werk diesmal nicht nur Drama, sondern auch Tragödie. Den diversen Prügeleien und Ballereien zum Trotz ist Darnstädts Drehbuch durchaus klug konstruiert, selbst wenn der Einstieg nicht originell ist: Tschiller schwebt in Lebensgefahr, und eine Rückblende erzählt, wie es dazu kam.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Davon abgesehen haben es Buch und Regie geschickt vermieden, die Action-Szenen zu einsamen Höhepunkten werden zu lassen. Der Rest des Films soll keineswegs nur die Zeit bis zur nächsten Actionszene überbrücken, zumal die weiteren Figuren ohnehin mehr als bloß Begleitschutz bieten. Fahri Yardim hat als Tschillers bedingungslos loyaler Freund und Partner einige großartige Momente und ohnehin viel mehr Dialog als Schweiger, weil Yalcin Gümer launige Selbstgespräche zu führen pflegt. Die Gastrolle des Mannes, bei dem man lange nicht weiß, auf welcher Seite er steht, spielt diesmal Arnd Klawitter als kerniger Innensenator. Und weil Schweiger seinen Tschiller wie gewohnt als klassischen an Leib und Seele geschundenen Helden verkörpert, der immer wieder aufsteht, ist Helene Fischer die Überraschung des Films. Dank ihres kühlen Charismas entpuppt sich die Sängerin als perfekte Besetzung für die schwarzhaarige Eisprinzessin Leyla, die Gümer mit ihren leuchtend grünen Augen verwirrt und einen völlig anderen Part in dem Komplott gegen Tschiller spielt als anfangs vermutet.
Handwerklich ist "Der große Schmerz" ohnehin herausragend. Kameramann Jakub Bejnarowicz hat schon für "Kopfgeld" große Bilder gedreht und sorgt diesmal gerade bei den vielen Nachtszenen für ein fast jenseitiges Licht; einige Einstellungen sind pure Kunst. Martin Todsharow hat die Musik zu allen Tschiller-Krimis komponiert; die Tonspur ist ein ständiger Unruheherd. Darnstädt wiederum hat die Spannung geschickt auf verschiedene Ebenen verteilt, weil die Wege sämtlicher Beteiligten schließlich zum selben Ziel führen: Tschiller hat seinen Kollegen Gümer zwar nicht eingeweiht, aber der findet auch alleine raus, was sein Freund vorhat; derweil gelingt es den beiden auf einem Schiff eingesperrten Frauen, sich zu befreien. Als endlich alle Beteiligten im Hafen eingetroffen sind, kommt es zum großen Showdown. Aber dies ist weder das Ende des Films noch der Geschichte, denn am Sonntag folgt die Fortsetzung, „Fegefeuer“.