Dieser Film ist definitiv zu gut, um ihn allein den Kindern zu überlassen. Stoff und Machart sind ohnehin derart anspruchsvoll, dass man sich die ganze Zeit fragt: Interessiert das Kinder überhaupt? Schließlich bleibt der Hip Hop aus dem Titel erst mal nur ein Versprechen. Es ist also durchaus mutig vom Kika, sein Publikum im Rahmen einer Schnitzeljagd auf eine musikhistorische Reise zu den Wurzeln der "Black Music" mitzunehmen.
Ursprünglich war "Schnitzeljagd von Gospel bis Hip Hop" eine Reportagereihe, die nach dem gleichen Muster wie die bisherigen "Schnitzeljagd"-Ausgaben funktionierte. In den früheren Ausgaben ist Kika-Moderator Bernhard "Ben" Blümel unter anderem durchs Heilige Land und Polen gereist. Diesmal ist die Herausforderung nicht zuletzt musikalischer Art: Wie immer bekommt er bestimmte Hinweise, die ihn zunächst von Washington in die Südstaaten führen, wo ihm seine Gesprächspartner die Geschichte der afrikanischen Sklaven erzählen. Gleichzeitig muss er aber an jeder Station "Samples" sammeln, Geräusche und Gesangsteile, aus denen am Ende ein Musikstück entstehen soll.
Die Schnitzeljagd ist also erneut eine doppelte Reise, weil sie Ben durch Raum und Zeit führt. Seine Begegnungen sind derart interessant und informativ, dass man sich wünscht, Reportagen für Erwachsene wäre ähnlich einfalls- und abwechslungsreich gestaltet. Schon allein die vielen Stationen verdeutlichen, wie groß die Vorarbeit gewesen sein muss. Wenn man sich nur ein bisschen für Musik und/oder die Geschichte der Vereinigten Staaten interessiert, ist man umgehend fasziniert, weil die beiden Dimensionen der Reise wunderbar miteinander verknüpf werden: musikalisch von den Gospels der Baumwollpflücker über den Jazz in New Orleans und die Wurzeln des Blues bis in die Neuzeit von Breakdance und Hip Hop, historisch von der Sklaverei über den Kampf um die Gleichberechtigung bis zu den allerdings nur beiläufig einstreuten Bezügen zu Diskriminierungen in der Gegenwart.
Bei den Begegnungen mit Menschen, die seine Großeltern sein könnten, wirkt Ben etwas befangen, aber je stärker er sich musikalisch der Gegenwart nähert, um so mehr taut er auf. Die Liste der Gesprächspartner, die mit ihren Hinweisen ja auch auf die Schnitzeljagd Einfluss nehmen, ist äußerst beeindruckend. Das gilt gerade für die letzten Folgen, an denen neben Anna-Maria Leistner (Buch und Regie) und Matthias Huff (Idee und Buch) auch Oskar Lohaus beteiligt war. Nachdem Ben zuvor Funk-Legende Cyril Neville und Gary Clark, die "Zukunft des Blues", getroffen hatte, kommt er der Zielgruppe dank Begegnungen mit dem Hip-Hop-Pionier und Scratching-Erfinder Grand Wizard Theodore oder Soulsänger Aloe Blacc nun wesentlich näher.
Schade nur, dass Ben viel zu wenig als Musiker in Erscheinung tritt; immerhin ist der Mann als Sänger bekannt geworden. Ein Moderator mit mehr Ausstrahlung würde das Publikum vermutlich viel besser mitnehmen. Welche mitreißenden Gitarrenduelle hätte sich jemand wie Stefan Raab mit den Blues-Größen geliefert! Aber für Musikliebhaber ist die Reihe ein Genuss.