Mal sind die Handlungen stark übersinnlich geprägt, mal wird die angeblich wahre Geschichte vom Untergang der DDR erzählt, mal plaudert "Tatort"-Kommissar Felix Murot mit seinem Tumor. Die Krimis mit Ulrich Tukur fallen ohnehin immer wieder aus dem Rahmen; der Shakespeare-Western "Im Schmerz geboren" gehört zu den ungewöhnlichsten Filmen der Reihe und ist zurecht mit Preisen überhäuft worden. Auch "Wer bin ich?" wird in der "Tatort"-Geschichte einen besonderen Stellenwert bekommen, aber die Preise werden diesmal wohl ausbleiben; dafür ist der Film zu sehr von der Absicht geprägt, wieder mal was ganz Anderes anbieten zu wollen. Das ist dem HR auf jeden Fall gelungen: Die Hauptrolle spielt Ulrich Tukur, allerdings nicht als Kommissar, sondern als er selbst, denn der Schauspieler wird in einen Todesfall verwickelt und steht unter Mordverdacht.
Der Reiz dieser Idee liegt auf der Hand, zumal auch das zweite "Tatort"-Duo des HR, Margarita Broich und Wolfram Koch, mit von der Partie ist. Auf diese Weise kommt es immer wieder zu witzigen Szenen, weil sich Broich, Koch sowie Ex-"Tatort"-Kollege Martin Wuttke mit Wonne selbst parodieren und hingebungsvoll dem Klischee von zickigen Schauspielern frönen, die sich über ihre Partner mokieren und meckern, dass ihr Wohnwagen zu klein sei. Trotzdem steht der Krimi im Vordergrund: Weil die echten Ermittler ebenso schlecht gekleidet wie unfähig sind und aus ihrer Abneigung gegen die "Filmfuzzis" keinen Hehl machen (aber trotzdem ein Autogramm wollen), muss Tukur die Ermittlungen selbst in die Hand nehmen. Er hat keinerlei Erinnerungen mehr an die Ereignisse der Todesnacht, denn das Team hat in einem Casino das nach der Hälfte der Dreharbeiten obligate Bergfest gefeiert. Tukur ist überzeugt, dass er anschließend ziemlich betrunken ins Bett gegangen ist, doch die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen, wie er in der Tiefgarage mit dem späteren Toten, der einen satten Gewinn gemacht hat, ins Auto steigt. Die Fahrt endete für den Mann tödlich, das Geld ist verschwunden. Tukur findet es später zwischen seiner Wäsche versteckt im Hotelzimmer und zweifelt endgültig an seinem Verstand, doch dann kommt er gemeinsam mit Koch den Tätern auf die Spur. Die Wahrheit ist am Ende allerdings viel absurder.
"Wer bin ich?" knüpft an die noch junge "Tatort"-Tradition der ARD an, nach Weihnachten Krimis zu zeigen, die nicht ganz ernst gemeint sind; die Filme mit Christian Ulmen und Nora Tschirner, "Die fette Hoppe" und "Der irre Iwan", gingen ebenfalls in diese Richtung. "Wer bin ich?" ist jedoch keine reine Komödie. Die Handlung wirkt eher, als habe Alfred Hitchcock eine Geschichte von Franz Kafka verfilmen wollen; allerdings ist Bastian Günther nicht Hitchcock. Der Regisseur hat 2008 mit seinem Debüt, dem Ruhrgebiets-Roadmovie "Autopiloten" (auch schon mit Koch), auf sich aufmerksam gemacht. Sein nächster Wurf ließ fünf Jahre auf sich warten: 2013 folgte "Houston", ein kunstvolles Kinowerk, diesmal mit Tukur. Günthers erste Arbeit für einen populären Fernsehsendeplatz ist nun der Versuch, eine Mischung aus Mehrheitsgeschmack und Anspruch zu finden. Das Ergebnis wird beidem jedoch nur halbherzig gerecht: Die vielen Anspielungen aufs Mediengewerbe sowie die Seitenhiebe in eigener Sache bereiten viel Vergnügen, doch ein klassischer Krimi ist der Film naturgemäß nicht. An selbstreferenziellen Stoffen haben die Macher erfahrungsgemäß ohnehin meist mehr Freude als die Zuschauer. Hinzu kommt, dass sich auch für die betont dissonante Musik nur eine Minderheit begeistern wird. Aber wenn man das vorher weiß und sich an der Selbstironie erfreut, mit der sich Regisseur Justus von Dohnányi auf die Schippe nimmt, ist der Film durchaus ein intellektuelles Vergnügen.