Die Handlung klingt nach harmloser Seniorenkomödie mit Krimi-Elementen: Konrad und Katharina haben sich schon vor ein paar Jahren sehr gemocht, aber damals waren beide noch in festen Händen. Nun ist er verwitwet und sie von ihrem Mann sitzen gelassen worden, doch das gemeinsame Glück ist erneut getrübt: Konrad leidet an einer Augenkrankheit, die nur im Ausland behandelt werden kann; und die Kosten für die teure Operation müsste er selbst zahlen. Ausgerechnet ein Neunjähriger hat eine Idee für eine gemeinsame "Win Win"-Situation: Georg fühlt sich von seinen Karriere-Eltern vernachlässigt und schlägt dem Rentnerpärchen eine fingierte Entführung vor. Auf diese Weise bekäme Konrad das Geld für die Operation; und Georgs Vater, der sich seit geraumer Zeit beruflich in China aufhält, müsste umgehend nach Hause kommen, sodass die Familie gemeinsam Weihnachten feiner könnte.
Schon gleich zu Beginn sorgt das Drehbuch von Elke Rössler und Ralf Husmann für erste Irritationen. Katharina ist Taxifahrerin im Ruhestand und so etwas wie die persönliche Chauffeurin von Georg. Als sie beobachtet, wie der Junge auf dem Schulhof gepiesackt wird, gibt sie dem Wortführer der mobbenden Mitschüler eine Ohrfeige; und weil die Jungs keine Ruhe geben, zückt sie kurzerhand eine Pistole. Kein Wunder, dass die tatkräftige Frau auch entsprechend kernige Dialogzeilen von sich gibt; Christine Schorn versucht gar nicht erst, Katharina als nette alte Dame zu verkörpern. Trotzdem ist es um sie geschehen, als sie durch Zufall Konrad wiedersieht. Der erkennt sie zunächst jedoch gar nicht; seine schwindende Sehkraft hat ihm ohnehin die Lebensfreude genommen. Katharina bewahrt ihn zwar in letzter Sekunde vor dem Freitod, aber helfen kann sie ihm nicht, sie ist ja selber arm wie eine Kirchenmaus; und dann stellt der seiner Mutter (Melika Foroutan) entwischte Georg die beiden vor vollendete Tatsachen. Allerdings stoßen Konrad und Katharina als Entführungsamateure alsbald an ihre Grenzen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Franziska Meletzky, Regisseurin unter anderem des ausgezeichneten Doppel-"Tatorts" aus Hannover ("Wegwerfmädchen", "Das goldene Band", 2012) inszeniert die teilweise ungewöhnlich ruppige Rentnerromanze fast schon betont unauffällig, als wolle sie auf keinen Fall von ihren beiden famosen Hauptdarstellern ablenken. Schorn und Kockisch müssen sich die Meriten allerdings mit dem jungen Kieran West teilen, der den wohlstandsverwahrlosten Georg bemerkenswert souverän verkörpert. Positiv aus dem Rahmen fällt auch die ungewöhnliche Musik von George Kochbeck, der mit seinem Gitarren-Rock unüberhörbare Akzente setzt. Trotzdem ist "Konrad & Katharina" ein Schauspielerfilm, und das nicht nur, weil es viel Redebedarf gibt; kunstvoll greift das Drehbuch immer wieder kleine Dialogsequenzen auf, um sie später in anderem Zusammenhang erneut zu verwenden. Da sich ein Großteil der Handlung in einer leerstehenden Wohnung zuträgt, die dem Rentnerpärchen als Zuflucht dient, wandelt sich der Film zwischenzeitlich zum Kammerspiel mit teilweise schwarzhumorigen Zügen. Ohne die entsprechenden Szenen würde die kernige Komödie über weite Strecken wie klassisches gehobenes Boulevardtheater wirken, aber dann läuft die fingierte Entführung völlig aus dem Ruder; Konrad und Katharina bekommen es nicht nur mit der Polizei zu tun, sondern auch mit gierigen Zeitgenossen, die einen Anteil am Lösegeld fordern. Da trifft es sich gut, dass Katharinas vermeintliche Pistolenattrappe ebenso scharf schießt wie ihr Mundwerk.