Als Besetzung der Hauptfigur, einer unter einem selbstgerechten Gatten leidenden Hausfrau und Mutter, kam selbstredend niemand anders als die Autorin selbst infrage. Buch und Film spielen an Heiligabend und erzählen davon, wie die vom Weihnachtsstress völlig überforderte Gundula Bundschuh permanent am Rand des Nervenzusammenbruchs entlang balanciert und dennoch dank eines fast übermenschlichen Kraftakts die Contenance bewahrt. Als ihr schließlich doch noch der Kragen platzt, liegt anschließend prompt alles in Trümmern: der familiäre Zusammenhalt, die häusliche Einrichtung und auch ihre Ehe.
Das Buch ist eine derart geballte Häufung typischer Familienszenen, die Sawatzki zudem mit Dialogen von ausgesuchter Boshaftigkeit würzt, dass Mathias Klaschka die Vorlage vermutlich bloß noch in ein filmreifes Drehbuch umwandeln musste. Die Inszenierung besorgte Vivian Naefe, eine der erfahrensten deutschen Regisseurinnen, die den wunderbaren Stoff kongenial umsetzt. Auch die Besetzung ist ausgezeichnet: Axel Milberg, zuvor zuletzt in der Komödie "Meine Tochter, ihr Freund und ich" Filmpartner von Sawatzki, passt derart gut zur Rolle des Gatten Gerald, dass man sich unwillkürlich fragt, ob die Autorin ihn schon beim Schreiben vor Augen gehabt habe. Großartig sind auch die beiden innig verhassten älteren Damen: In der Gegenwart seiner lebens- und trinkfreudigen Mutter Susanne (Judy Winter) wandelt sich Gerald umgehend zum Muttersöhnchen. Gundulas verhärmte Mutter Ilse (Christine Schorn) beklagt sich bitterlich über den dementen Gatten Edgar (Günther Maria Halmer), hätte aber ohne ihn überhaupt keinen Lebenssinn mehr.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich sind Edgars regelmäßige und meist harmlose Aussetzer immer wieder Anlass zur Heiterkeit. Ein "running gag" ist seine Freigiebigkeit: Immer wieder erfreut er Enkelin Ricarda (Amber Bongard) mit Weihnachtsgeld. Lustiger ist aber ein "falling gag": Jedes Mal, wenn jemand die Wohnzimmertür hinter sich zuknallt, fällt der ohnehin recht kümmerliche und in Ermangelung von Christbaumschmuck mit aussortierten CDs geschmückte Weihnachtsbaum um. Für weitere humorvolle Einlagen sorgen die beiden Witzfiguren der Runde: Gundulas Bruder Hans-Dieter (Stephan Grossmann) ist ein etwas anstrengender Autor von Lebensratgebern, was schon allein deshalb ein Witz in sich ist, weil der unter allen nur denkbaren Nahrungsunverträglichkeiten leidende Mann offenkundig völlig lebensuntauglich ist. Übertroffen wird er nur noch von seiner Frau Rose (Eva Löbau), einer frömmelnden Abstinenzlerin, die einem dennoch am Ende, als ihr allerlei Ungemach widerfährt, fast ein bisschen leid tut. Der einzige normale Zeitgenosse der Geschichte ist Gundulas Atemtherapeut (Uwe Ochsenknecht), der das Pech hat, gleich gegenüber zu wohnen. Prompt sucht sie ihn auch an Heiligabend mehrfach heim, um sich in seiner Gegenwart ihren Tagträumen vom gemeinsamen Walzer hinzugeben.
Im Grunde erzählen Sawatzki und somit auch Klaschka und Naefe die Geschichte eines ganz normalen Familienfests, wenn auch ein bisschen auf die Spitze getrieben. Aber selbst wenn es paradox klingt: Wider Erwarten erhöht der Film sogar die Vorfreude auf das Fest, und das nicht nur, weil sich am Ende wundersam alles zum Guten wendet: Wer Zeuge wird, wie sich die Bundschuhs gegenseitig das Leben schwer machen, wird automatisch den festen Vorsatz fassen, sich an den Feiertagen anders zu verhalten.