Berlin (epd)Die chaotischen Zustände beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) bei der Registrierung von Flüchtlingen beschäftigen seit Montag auch die Justiz. Mehr als 40 Rechtsanwälte haben bei der Berliner Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Körperverletzung und Nötigung im Amt gegen Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Lageso-Präsident Franz Allert sowie weitere Verantwortliche gestellt, wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsvereins und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen am Montag in Berlin mitteilten.
Undurchschaubare Strukturen
Der Sozialsenator wies die Vorwürfe als "absurd" zurück und nannte den Weg einer Strafanzeige nicht zielführend. Vor dem Lageso müssen Flüchtlinge oft tagelang bei Wind und Wetter im Freien anstehen, um sich registrieren zu lassen.
Die Anwälte werfen Czaja und Allert "massiven staatlichen Rechtsbruch" vor und sprechen von chaotischen, undurchschaubare Strukturen am Lageso, die hausgemacht seien und für die beide die Verantwortung trügen. So nehme der Sozialsenator schwere Verletzungen und Erkrankungen von Geflüchteten bewusst in Kauf. Zustände wie in Berlin seien bundesweit einzigartig, erklärte die Rechtsanwältin und RAV-Vorstandsmitglied Christina Clemm. "In keinem anderen Bundesland versagen Politik und Verwaltung so systematisch wie hier." Verletzungen und Erkrankungen, Hunger und Obdachlosigkeit von Geflüchteten würden in Berlin zum Regelfall.
Czaja erklärte am Montag, es sei absurd zu behaupten, dass Körperverletzung und Erkrankung von Flüchtlingen durch die Arbeit der Verwaltung bewusst provoziert werden. "Das weise ich für den Senat und die Hausleitung entschieden zurück." Das Gegenteil sei richtig." Wir tun jeden Tag alles uns mögliche, um Obdachlosigkeit zu verhindern und die Situation der Geflüchteten zu verbessern." Die geplante Schaffung eines eigenes Landesamtes sei eines der Instrumente.
Desolate Situation
Die bereits seit Monaten andauernden chaotischen Zustände vor dem Berliner Landesamt sorgen mittlerweile auch bundesweit für Empörung. Vergangene Woche hatte Bundestagsvize-Präsidentin Claudia Roth (Grüne) von Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Brief verlangt, das sofort zu ändern. In keiner anderen Stadt habe sie eine vergleichbar desolate Situation erlebt, schrieb Roth. Sie empfinde das wie eine koordinierte Verantwortungslosigkeit und Entwürdigung.
Der Republikanische Anwaltsverein (RAV) und die Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) betonten, sie unterstützten das Anliegen der Anwälte, mit der Strafanzeige die politisch und bürokratisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Es stehe jedem frei, den Rechtsweg zu nutzen, entgegnete Czaja. Um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern, sei dieser Weg aber nicht zielführend.